Man kann auch ohne kausale Physiologie ganz einfach sagen: W' ist noch nicht wieder hinreichend aufgebaut.
Und als Ergänzung dazu, W' ist die Anaerobe Arbeitskapazität oberhalb der CP (Critical Power).
Die CP wiederum ist die Leistung an der anearoben Schwelle. Sie beschreibt die maximale Leistung, bei der sich Laktatproduktion und Laktatabbau gerade noch die Waage halten. An der ANS kann ein Sportler daher längere Zeit mit konstanter Leistung fahren, ohne dass es zu einer Übersäuerung der Muskulatur kommt. Bei einer Leistung oberhalb der ANS wird mehr Laktat gebildet als abgebaut, wodurch die Laktatkonzentration stetig steigt und früher oder später einen Leistungsabbruch oder Leistungsrückgang erzwingt.
Das interessante an der Anaeroben Kapazität W' ist, dass jeder von uns eine individuelle Anzahl von anaeroben "Körnern" hat, die sich in Kilojoule ausdrücken lassen. Wenn man zum Beispiel über eine anaerobe Kapazität von 20 kj verfügt, kann man diese bei extremen Wattzahlen sehr schnell verbrauchen oder bei Wattzahlen, die nur geringfügig oberhalb der ANS liegen, über eine längere Dauer einbringen.
Mit vernünftigem Zahlenmaterial lassen sich die Anteile der Aeroben Kapazität und der Anaeroben Kapazität an einer Gesamtleistung recht gut berechnen.
Ein Watt ist gleich der Leistung, um pro Sekunde eine mechanische Arbeit von einem Joule zu verrichten. Das heißt: 1 Watt ist 1 Joule pro Sekunde.
Also lässt sich wiederum sehr gut berechnen, in welcher Zeit bei bestimmten Wattwerten unsere Anaerobe Kapazität aufgebraucht ist bzw. welche Leistungswerte über einen bestimmten Zeitraum erreichbar sind. So ergibt sich unsere berühmte Leistungskurve.
Für die CP60 also für die Maximalleistung über 1 Stunde bzw. 3600 Sekunden gilt z. B.:
CP60 = CP + W`/3600 Sekunden
Die Anaerobe Kapazität bzw. die anaeroben Körner werden über eine Stunde bzw. 3600 Sekunden aufbraucht.
Für die CP4 also der Maximalleistung über 4 Minuten bzw. 240 Sekunden gilt:
CP4 = CP + W`/240 Sekunden
Die Formeln lauten:
CP60 = CP + W'/(60x60)
CP20 = CP + W'/(60x20)
CP5 = CP + W'/(60x5)
CP2 = CP + W'/(60x2)
Bei einer CP von 250 Watt und W‘ von 20 kj ergäbe das folgende Rechnung:
CP60 = 250 Watt + 20.000 Joule / 3600 sec = 255 Watt
CP4 = 250 Watt + 20.000 Joule / 240 sec = 333 Watt
Es lässt sich also erkennen, dass oberhalb der Dauerleistungsgrenze die Anearobe Kapazität unsere maximale Leistungsfähigkeit mitbestimmt. Je kürzer die Intervalle sind, desto größer ist die Rolle, die die Anaerobe Kapazität spielt bzw. der anaerobe Anteil an der Gesamtleistung. Insofern ist klar, dass ein Ausdauertyp mit geringerer Anaerober Kapazität z. B. bei den berühmten 4 x 4 Minuten Intervallen nicht eben gerade ganz präzise die gleiche prozentuale Ableitung von der FTP ansetzen kann, wie ein Sprintertyp, der von seiner hohen Anaeroben Kapazität sozusagen "lebt". Aus diesen Tatsachen ergibt sich die Tabelle von Mi67 im Hinblick auf die verschiedenen "Radsporttypen".
Wie man zu einer Einschätzung seiner individuellen Anaerobe Kapaziätät kommt? Indem man einen Leistungstest über eine Kurzzeit-Maximalleistung (3 bis 5 Minuten) und einen Leistungstest über eine Langzeit-Maximalleistung (15 bis 60 Minuten) absolviert. Daraus lässt sich nach
Monod und
Scherer unsere Leistungskurve aber auch CP und W' berechnen. Entsprechende Rechner finden sich im Web oder im Menue von Golden Cheetah unter Werkzeuge.