Hallo,
ich muss mir hier in dem Thread, als Wenig-Poster-aber-viel-Leser, doch auch mal was von der Seele schreiben. Unfassbar, was wir da am Wochenende erlebt haben
Die Radverkehrssituation in meiner Heimatstadt Lahnstein, ja, die ist wirklich die Vollkatastrophe. Ist halt eng hier im Mittelrheintal und deshalb verkehrsplanerisch herausfordernd, alles verständlich, aber da passiert halt auch gar nichts. Radtouristik-Konzepte (speziell mit der BUGA 2029 im Blick), ja, die gibt es. Fahrrad als Alltags-Verkehrsmittel, da wird seit Jahrzehnten wenig bis gar nichts gemacht. Und das wenige, das gemacht wird, ist Gepfusche. Dabei hat sich unsere Stadt letztens dafür gefeiert das Lahnstein im Radklimatest von "Ultravolltotalbeschissen" zu "ganzbisschenwenigerUltravolltotalbeschissen" aufgestiegen ist. Ohne Maßnahmen wohlgemerkt.
Ein Nadelöhr ist eine Brücke über die Lahn, da fließt der komplette innerstädtische Verkehr drüber. Auf der Brücke ist ein ehemaliger Radweg noch mit roter Farbe markiert und der Rad"schutz"streifen führt noch mit gestrichelter Linie auf den jetzt-Gehweg. Dieser Gehweg war bis vor einigen Jahren mit dem Zeichen 241 als benutzungspflichtiger getrennter Rad/Fußweg ausgewiesen. Allerdings erfüllt der Weg nicht die baulichen Voraussetzungen für einen benutzungspflichtigen getrennten Rad/Fußweg (zu schmal), deshalb wurde dieser erst umgewidmet zu einem nicht benutzungspflichtigen Gehweg /Radfahrer frei. Seit diesem Zeitpunkt war es Radfahrenden freigestellt, die Fahrbahn über die Brücke zu benutzen. Allerdings erfüllt der Fußweg auch nicht die baulichen Voraussetzungen für einen "Gehweg/Radfahrer frei", weshalb vor ca 3 Jahren die komplette Beschilderung entfernt wurde. Seitdem nutzen zwar viele Radfahrende in der Engstelle Brücke zwar immer noch den Fußweg und dies wird von der Stadt wohl geduldet. Allerdings müssen seitdem Radfahrende streng genommen die Fahrbahn über die Brücke benutzen, um rechtlichen Problemen mit dem Fußverkehr aus dem Weg zu gehen. Leider führt auch die Markierung weiterhin auf den Fußweg, was es für Autofahrende schwer macht, zu erkennen, dass es sich hier nicht (mehr) um einen benutzungspflichtigen Radweg handelt. Als regelmäßige Alltagsradpendler geben wir frühzeitig Handzeichen nach Schulterblick und wechseln vor der Brücke vom Schutzstreifen auf die Fahrbahn um diese Gefahrenstelle ordnungsgemäß zu durchfahren.
Hier hat es sich die Stadt mit dem schlichten Entfernen der Radwegsschilder ohne jede Ummarkierung schon sehr einfach gemacht. Damit ist sie schön aus der Haftung raus wenn einer der OverearkopfhörerSattelrunterEMTBHardtail-Spezialisten dochmal einen Fußgänger umnietet (weil, ist ja jetzt ein Gehweg, auf dem man mit dem Rad nicht fahren darf), Autofahrende haben aber kaum eine Chance zu erkennen das da kein Radweg ist und die Radfahrenden auf die Strasse gehören.
Gehupe, "freundliche Winkzeichen" und zu enges Überholen, das sind wir da gewohnt. Mit einem Pedelec fährt man aber auch problemlos mit 25km/h auf die Brücke drauf - und ab der Mitte (abschüssig), locker auch mit mehr als 30 km/h. Gibt auch genug Spezialisten, die das auf dem Gehweg in 15cm Entfernung an den Fußgängern vorbei machen. Deshalb hatte ich schon vor 2 Jahren an das Ordnungsamt geschrieben, Vorschlag gemacht die Spur auf dem Gehweg zu belassen (für unsichere Radfahrende), aber die Markierung auf die Brücke zu ändern und Radpiktogramme auf der Fahrbahn zu pinseln damit klar ist, Radfahrende dürfen hier fahren. Passiert ist natürlich nichts, auch nicht, nachdem ich vor ein paar Monaten den OB bei einer Veranstaltung darauf angesprochen hatte und er sagte, "ja, die Situation kennen wir, da kommt demnächst Tempo 30 und eine neue Markierung"
Samstag jetzt, wir fahren zu zweit Richtung Koblenz, über die Brücke. Meine Frau auf einem Pedelec, ich einige Meter dahinter auf einem normalen Fahrrad, zwischen uns ein Bus, der hinter meiner Frau aus der Haltestelle gefahren ist.
Meine Frau wurde auf der Brücke, bereits in Höhe eines Bordsteins rechts erst angehupt (da sie die Fahrbahn benutzt hat), anschließend unter Missachtung des gesetzlichen Mindestabstands von 1,50m deutlich zu knapp überholt und währenddessen vom Fahrer mit Handzeichen und Schreien "Da ist ein Radweg" belehrend genötigt. Während des weiteren Überholvorgangs zog der Fahrer des Gelenkbusses in die Spur meiner Frau, unterschritt damit den Überholabstand weiter dramatisch und klemmte diese schlussendlich zwischen Bus und Bordstein ein. Nur durch viel Glück und Abbremsen bis zum Stillstand konnte meine Frau einen Sturz mit eventuell dramatischen Folgen vermeiden - sie war zu dem Zeitpunkt in Höhe der Hinterachse des Busses. Ich habe den Bus an der Haltestelle kurz nach der Brücke eingeholt und den Fahrer angesprochen um seine Personalien wegen Strafanzeige festzustellen. Er brüllte mich allerdings nur an "da ist ein Radweg, verlassen sie sofort meinen Bus" - jetzt völlig unabhängig von der Radwegssituation war mir spätestens damit klar, das der Fahrer damit wissentlich meine Frau in Gefahr gebracht hat um diese auf den vermeintlichen Radweg zu zwingen. Unrechtsbewusstsein nicht vorhanden. Selbst wenn an der Stelle noch ein Radweg vorhanden wäre, ist es unfassbar, dass der Fahrer seinen f**king 16t Gelenkbus als Waffe gegen eine Radfahrerin einsetzt, um ihr seinen Willen aufzuzwingen. Der Polizei ist die Radverkehrsituation an dieser Stelle bekannt, weshalb uns bei der Zeugenaufnahme auch keinerlei Vorwurf gemacht wurde.
Hui: Wir haben Zeugen (Jehovas), die in der Nähe mit ihrem Leuchtturm standen und das Geschehen, nunja, bezeugen können. Und durch einen glücklichen Zufall haben wir noch eine Zeugin aus dem Bus gefunden, die am Fenster saß und einen Logenplatz hatte. Sie war "sehr empört" über den Busfahrer und will eine Aussage machen.
Ich bin verhalten optimistisch das hier von einem Verstoß gegen 315c StgB "gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr" ausgegangen wird und der Busfahrer zumindest für längere Zeit nicht mehr am Steuer eines Busses oder irgendeines anderen Fahrzeugs sitzen wird. Ermittlungsverfahren läuft noch, aber mit den Zeugenaussagen gehe ich jetzt mal nicht davon aus das die Geschichte im Sande verläuft. Die DB Regio habe ich auch bereits dazu angeschrieben - und an das Ordnungsamt gehe ich jetzt mit dem Hintergrund auch nochmal. Eigentlich überlegen wir, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Ordnungsamt wegen Vernachlässigung der Verkehrsicherungspflicht zu schreiben