13.Juli 2023
Vito jagt die Super-Fritte. Oder: "FERMÉ" leuchtet in Großbuchstaben hinter der Fensterscheibe. Auch New Quinta hat sich in den Jahresurlaub verabschiedet. Ein wenig enttäuscht rolle ich vor dem Häuschen herum und daran vorbei, um wenigstens dahinter das Squadrat einzutüten. Bin dabei überrascht von der Hinterseite, die ich noch nicht kannte. Da könnte man sogar im Schatten eines Baumes bei der Fritte sitzen. Viel hübscher, als es von vorne an dieser Autobahnabfahrt den Anschein macht und ich es bisher kannte.
Danach bummle ich weiter. Statt Kartoffelstäbchen gibt es kleine, kurze Krümellinien. Also Wege, die mir für Wandrer noch fehlen. Hier und da. Und dort! Heute ist auch der Tag, an dem ich endlich die zwei kurzen Zufahrtswege zu dem Bruchsteinhof einsammeln will.
Wie ich auf das Haus zurolle, sehe ich einen Schatten im geöffneten Fenster des Obergeschosses. Ich halte. Mache ein Foto. Dann möchte ich mir noch den restlichen Weg holen. Täusche einen großen Wendebogen an, bei dem ich aber auch mehr Richtung Gehöft fahre, um gründlich die Krümel einzusacken. Da winkt der Schatten im Fenster.
Die Hand geht im Fenster hin und her. Nicht zu übersehen. Jetzt fühle ich mich ertappt. Ist schon ein wenig zu frech, wie ich hier herumrolle? Ich entscheide mich für die freundliche Offensive. Winke einfach fröhlich zurück, rufe dabei: "So schön kann man wohnen!" und rolle auf das Fenster zu. Krümel lasse ich so definitiv nicht mehr liegen. In dem kleinen Fenster mit den blauen Blumen davor taucht ein freundliches Gesicht auf. Schon sind wir im Gespräch.
Der Hof ist 230 Jahre alt und wurde noch bis vor 15 Jahren betrieben, erzählt mir mein Gesprächspartner mit dem freundlichen Gesicht. Jetzt sei ein Teil zu Wohnungen umgebaut. Aber nicht ganz. Im hinteren Teil gäbe es noch den Kuhstall. Jetzt eben leer ohne Kühe. Würde darauf warten, irgendwann mal ebenfalls umgebaut zu werden. Für sie würde es sich nicht wirklich rechnen. Vielleicht für die Nachfolgegeneration. Bis es soweit wäre, würde halt alles von ihnen soweit in Schuss gehalten werden.
Wir plaudern locker. Wo ich her käme, wo ich hinfahre. Das Pendeln von der Arbeit in Aachen und über immer mal wieder andere Wege nach Hause. Dann spricht er an, dass ich ja ein Rad von Hein hätte. Ja, der hat's mir aufgebaut. Hein sei ein Kumpel von ihm, meint er. Er würde auch hin und wieder mit ihm und einem Grüppchen ausfahren. Ach, die Lenzinis?, frage ich.
Jetzt sind wir beide angekommen. Dieter oben in dem kleinen Fensterchen hinter den blauen Blumenköpfen, der seit 20 Jahre Rennrad fährt, und ich. Wie gut wir es haben, hier so ein schönes Revier zu haben, sind wir uns einig. Aber irgendwann, meint Dieter, da gäbe es nicht mehr wirklich etwas zu entdecken. Irgendwie müsse da etwas Neues her. Dieter scheint mir die Gegend ganz gut zu kennen. Das ist doch eine Gelegenheit, für die Frage der Fragen: "Wo gibt es Deiner Meinung nach die beste Fritte? Also belgische Fritte."
Es kommt mir fast so vor, als könnte ich Dieter dabei zusehen, wie er in seinem Kopf mit seinem Rennrad durch die Gegend fährt und für mich nach Frittenbuden Ausschau hält. Die wären rar geworden, sagt er. Also die guten, echten belgischen Fritten. Spontan erwähnt er, dass die Fritten bei der Autohandwäsche nicht schlecht seien. Und etwas exklusiver seien die vom Maennekenfrit. Und dann - ich sehe es ihm an - hat Dieter die beste belgische Fritte in seinem Kopf erreicht. Sein Geheimtipp. Sein Gesicht verklärt sich, wie er beginnt, davon zu erzählen. Sei nicht ganz leicht, sie aufzuspüren. Die Kirmesfritten vom Rocks.
Der würde mit seinem Wagen hier von Kirmes zu Kirmes tingeln. Letztens war Kirmes in Eupen. Und zuletzt in Kelmis. Aber jetzt? Das müsste man irgendwie herausfinden. Da stünde man gerne eine Dreiviertelstunde in der Reihe, bis man seine Fritte hätte. Aber das würde man gerne machen, das würde sich lohnen. Der schneidet sie selbst dick und grob aus den Kartoffeln. "Und dann gibt es die so richtig in Papiertüte?", frage ich nach. Ja, selbstverständlich. Bääm! Treffer!
Das ist die Fritte, wie sie mir gefällt. Eine echte belgische Fritte. Stilecht. Ein Mythos. Mit Kult-Aura. Nicht so einfach zu bekommen. Man muss schier auf die Jagd gehen und sie an immer wechselnden Orten aufspüren. Eine Fritten-Schnitzeljagd. Genau mein Geschmack. Schon jetzt. Ich bin begeistert!
Dieter schiebt nach, dass es auch einen festen Standort gäbe. In Montzen. Etwas versteckt. Links von der Kirche. Abends ab 18 Uhr könne man da Fritten bekommen. Es fühlt sich für mich an, als würde dort eine Zielnadel in meiner Landkarte stecken und diesen Schatz markieren, der gehoben werden muss.
Ich bedanke mich bei Dieter. Freue mich, dass wir dieses Gespräch geführt haben und dass er mir von seinem Geheimtipp erzählt hat. Vielleicht trifft man sich ja bei einer Kirmesfritte? Oder einer Ausfahrt mit den Lenzinis oder der Sparkasse. "Oder auch hier", sagt Dieter.
Auf der weiteren Heimfahrt schallt es durch meinen Kopf. Vito!, schallt es. Vito!, du musst diese Fritte aufspüren!