Kettenverschleiß messen / Kettenverschleißlehren Test / Chainchecker Test Review
Auf den Spuren von Hans Joachim Zierke:
An einer anderen Stelle dieses Internets musste ich lesen, dass jemand den Rohloff Caliber nicht mehr benutzt, weil der nicht so ganz richtig kontruiert sei. Der Caliber liegt bei der Messung an gegenüberliegenden Seiten von zwei Kettenrollen an und erfasst so den Rollenverschleiß und das Rollen-Spiel doppelt. Das würde zu vorzeitigem Anzeigen der Verschleißgrenze führen.
Es gibt Kettenverschleißlehren, die bei der Messung auf der gleichen Seite von zwei Kettenrollen anliegen und damit schon prinzipiell vorzuziehen seien.
Hatte ich etwa all die Jahre auf das falsche Pferd (Rohloff) gesetzt, und gar Ketten vor Erreichen der Verschleißgrenze von 0,75% weggeworfen??
Das wollte ich nun genau wissen, und habe die Werkzeuge einem Vergleich unterzogen. Es treten an:
- ein Whalebrand 30 cm Messschieber als Referenz (Made in China, 80er Jahre DDR glaube ich), stufenlos
- Rohloff Caliber 2, zwei Stufen 0,75mm und 1,0 mm (entspricht Prozent weil Messstrecke ca. 10 cm)
- Shimano TL-CN42, eine Stufe, kein Maß gefunden, "korrekte" Anlage an der selben Seite der Rollen
- Pedros Chain Checker Plus II, zwei Stufen 0,5% und 0,75%, "korrekte" Anlage an der selben Seite der Rollen
- Park Tool CC-4, zwei Stufen 0,5% und 0,75%, "korrekte" Anlage an der selben Seite der Rollen
- Unior 1643/4, mit demselben Konstruktionsmerkmal wie der Kaliber: liegt an gegenüberliegen Seiten der Rollen an, stufenlos 0 - 1%, Funktionsprinzip wie der seinerzeitige Kettenchecker von Stephan Pochert Fahrradmeßtechnik, aus obigem Test von Zierke.
Da sind sie,
Shimano, Pedros und Unior messen dieselbe Anzahl von Gliedern, Rohloff weniger,
Park Tool mehr, je mehr Glieder desto genauer sollte die Messung eigentlich sein:
Bei den drei Kandidaten, die an den gleichen Seiten von Kettenrollen anliegen, ist die Bedienungsanleitung auf den Geräten:
Und hier die Ergebnisse:
Whalebrand: 1,5 mm Längung auf 254 mm Solllänge (20 Glieder) = 0,59%
(hinten an den Rand eines Bolzens anlegen, vorne ablesen, das geht wirklich auf 0,1mm, vor 14 Tagen waren es noch 0,1mm weniger, liegen aber 300 km dazwischen)
Rohloff Caliber 2: wie zu erwarten, keine 0,75mm (=% ), auch mit größerem Druck nicht,:
Bei Pedros und
Park Tool das selbe Bild, 0,5% ohne Druck gerissen, 0,75% auch mit Druck nicht:
Aber dann
Shimano:
Shimano möchte, dass ich die Kette tausche, kennt nur die Wahl zwischen "geht noch" und "muss weg". Und diese Kette muss weg, und zwar auch beim letzten Mal vor 14 Tagen schon.
Unior:
Ergebnis siehe Foto. Allerdings nicht ganz konsistente Messwerte, gingen so bis 0,75%, tendenziell größer als 0,6%
An einer bestimmten Stelle der Kette passierte dann was Unverhofftes: das Unior zeigte einen Verschleiß von mehr als 1% an und auch der Rohloff Kaliber konnte mit Druck die 1 mm Marke reißen.
Vorgestern hatte ich einen Bolzen, der etwas nach innen überstand "gerichtet". Das ist wohl in die Hose gegangen. Es ist auf dem
Shimano-Foto der zweite von rechts. Der Rohloff Revolver hat seine Spuren hinterlassen.
Diesem Verschluss mochte ich nicht mehr über den Weg trauen und habe deshalb kurzerhand die Kette gewechselt, mit der einmaligen Möglichkeit, die Längung über die gesamte Kette zu messen (geöffnet habe ich die an o.g. Bolzen):
Ergebnis 9 mm Längung auf 114 Glieder / 1.447,8 mm Soll, entspricht 0,62%
Das Unior Messgerät zeigt bei der neuen Kette richtigerweise Null an, ist nur mit leichtem Druck in die Kette zu bekommen, könnte aber auch an der Fabrikschmierung der Kette liegen, muss ich nach ein paar km nochmal kontrollieren.
[Ergänzung 3.10.22, einen Tag später, Kontrolle.
Heute habe ich das Unior Messgerät an der neuen Kette nach ihren ersten 35 km nochmal geprüft. Verschleiß sollte man eigentlich ausschließen können, die alterbedingt wohl etwas zähe Fabrikschmierung ist unter reichlich Öleinfluss rausgearbeitet.
Ergebnis: Das Gerät zeigt eine "Längung" von 0,1 bis 0,15 % an. Das deckt sich mit meinem Eindruck bei den Messungen der alten Kette, irgendwie ständig etwas zu hohe Werte. Messungen bis 0,75%, wo auf derselben Messstrecke der Rohloff Caliber auch mit ordentlich Druck die 0,75 mm/% nicht anzeigen wollte. Oder an der "kaputten" Stelle der Kette, wo der Caliber das 1,0 mm/% Maß nur mit Druck anzeigen wollte, der Regler des Unior sich ohne Widerstand aber ganz in die Runde drehen ließ.
Mein Rückschluss: Rohloff scheint ein "Rollen-Spiel" von ca. 0,1 mm in seinen Caliber mit eingepreist zu haben, Unior nicht, sonst hätte es heute nach wie vor "0" anzeigen müssen.
Einschränkung: Ich habe nur jeweils ein Gerät getestet, kann auch alles Zufall sein.]
[Noch eine Ergänzung 4.10.2022
Ich habe die Messgeräte selber, den Rohloff Caliber und das Unior Messgerät noch vermessen, Ergebnisse:
Rohloff:
abgelesenes Maß an meinem Messschieber 94,
80 mm,
Sollmaß: 4 * 25,4 mm - 7,65 mm (Rollendurchmesser) + 0,75 mm (Angabe auf dem Caliber) = 94,
70 mm
Unior:
abgelesenes Maß 119,38 mm in Nullstellung,
Sollmaß: 5 * 25,4 - 7,65 mm = 119,35 mm
Rohloff arbeitet mit einem Übermaß von 0,1 mm, neutralisiert damit ein ebensolches Rollen-Spiel, Unior hat kein Übermaß, zeigt insofern ein Rollen-Spiel als Verschleiß an.]
Da bin ich aber froh, dass der Rohloff Caliber 2 doch gut funktioniert, und ich nicht unnötig verfrüht Ketten entsorgt habe.
Das Pedros finde ich auch gut, weil das als Zusatzfunktion zwei Kettenhaken (und einen Kettenblattschrauben-Gegenhalter) hat, konnte ich direkt bei der Montage der neuen Kette benutzen.