Eigentlich wollte ich jetzt mit den Nachbarsfamilien und meiner eigenen biertrinkend mit dem Bollerwagen durch die Hügel stromern. Stattdessen sitze ich in der Bude, weil die beiden jüngeren Damen des Hauses unpässlich sind und meiner Fürsorge bedürfen, während K. sich in feuchtfröhlicher Gesellschaft verlustiert. Schbin begeistert. NICHT!
Naja, ärgern nützt ja auch nichts. Das gibt mir immerhin Gelegenheit, ein paar Worte über die beiden Dinge zu verlieren, die ich am Sonntag angekündigt hatte: Meine Ziele für 2014 und die Gründe für die zwei "verlorenen" Jahre, während derer ich mich hier nicht zu Wort gemeldet habe.
Das war so: Bis Herbst 2010 hatte ich mehr Zeit zu fahren, wann und wo ich Lust dazu hatte, und ich hatte öfter Lust zu fahren, weil mir das Schreiben darüber und die Anerkennung, die ich hier dafür bekommen habe, Spaß machten. Dann kam das Buch raus, und gleichzeitig habe ich eine neue Arbeitstelle angetreten. Diese beiden Umstände hatten zur Folge, dass es einerseits plötzlich gar nicht mehr so viel Berichtenswertes gab, weil mein Training eigentlich nur noch aus den immer gleichen Arbeitswegen bestand, und dass ich andererseits jedesmal, wenn ich mich daran machte, hier einen Eintrag zu posten, das Vorhaben ganz schnell wieder aufgab, weil ich Angst davor hatte, nicht toppen zu können, was ich früher geschrieben hatte.
Trotzdem war ich Anfang 2011 eigentlich fest entschlossen, so weiterzumachen wie bisher. Ich wollte das Trainingstagebuch weiterführen, und ich wollte daneben direkt ein zweites Buch schreiben. Das sollte keine bloße Fortsetzung werden, sondern es schwebte mir ein etwas ambitionierteres Projekt vor. Außerdem wollte ich weiter abnehmen, noch ein bisschen fitter werden, mindestens fünf Rennen pro Jahr bestreiten, und dabei auch mal in den Top 200 landen. Natürlich sollte auch die Familie nicht wieder zu kurz kommen - immerhin hatten die 2010 ganz schön unter mir gelitten. Und meinen anderen Hobbys - Küche, Lesen, Rockmusik - wollte ich mich auch wieder häufiger widmen.
Dann passierte 2011 das:
18.06.2011 Sturz bei den 24h um die Münsteraner Promenade
13.08.2011 Sturz mit dem MTB nach Kollision mit einem Poller - Von der Platzwunde, die ich mir trotz
Helm an der Stirn zuzog, gibt es leider (oder zum Glück) kein Foto.
25.09.2011 Schwerer Sturz beim Ortsschildsprint während der letzten Trainingsrunde vor dem Münsterlandgiro
08.11.2011 Sturz auf dem Weg zur Arbeit, nachdem mich ein die Vorfahrt missachtender Autofahrer abgeräumt hatte - Diverse kleinere Verletzungen und mein bis auf den Knochen offener linker Ellenbogen wurden gnädigerweise ebenfalls nicht bildlich dokumentiert.
Inwiefern diese Unfallserie mit meiner übervollen Liste bester Absichten zu tun hat, lasse ich mal offen. Am Ende des Jahres waren jedenfalls beide Rennräder hinüber. Den Winter verbrachte ich mit Reparaturen und meldete mich, ohne lange über das vergangene Jahr nachzudenken, für die Rennen 2012 an. Das erste war der Velothon in Berlin, wo ich nach einem Drittel der Strecke erneut stürzte. Ich konnte das Rennen zwar aus mehreren großflächigen Schürfwunden blutend zuende fahren, aber spätestens bei Rad am Ring war klar: Für ambitionierten Radsport war ich nicht mehr zu gebrauchen. Bei meinen meistens recht eintönigen Fahrten vorher hatte ich schon jeden Sprint vermieden und war Gefälle sehr vorsichtig angegangen, aber in der Fuchsröhre und den anderen Hochgeschwindigkeitspassagen - und davon hat die Nordschleife einige - saß mir die nackte Todesangst im Nacken.
Von Training konnte spätestens seitdem nicht mehr wirklich die Rede sein - zumindest nicht in dem Sinn, dass ich mit dem Ziel radfuhr, bei Rennen gut abzuschneiden, oder auch nur bei einer Fahrt mit den Kumpels am Ortsschild zu zeigen, wo der Hammer hängt. Im Gegenteil: Fahrten in Gesellschaft, z.B. der
Leezenritter oder der Oldenburger Freunde waren 2013 äußerst selten. Aber auch allein bin ich viel seltener gefahren. Nicht, dass es keine Gelegenheiten gegeben hätte. Aber da hatte ich immer etwas Wichtigeres zu tun, und ich verdächtige mich, unbewusst auch noch andere Gründe für manche Absage gehabt zu haben als die, die ich den Kollegen mitgeteilt habe.
Schreiben ging auch nicht - mir fiel einfach nichts mehr ein. Nachdem ich auch noch ein paar Nackenschläge im Familien- und Freundeskreis eingesteckt hatte, musste ich mir zwei Dinge eingestehen: Für den Radsport konnte ich keine Leidenschaft und keinen Ehrgeiz mehr aufbringen, und mit meinem Buchprojekt hatte ich mich völlig verrannt.
2014 ist der Münsterland-Giro mein einziges Rennen. K. (und mir selbst) habe ich bisher gesagt, dass ich da auch nur wegen der Streckenführung und aus alter Verbundenheit teilnehme, und nicht mit dem Ziel, in der Ergebnisliste weit vorne zu stehen. Stattdessen fahre ich seit Januar wieder, wenn ich Lust dazu habe, gerne auch mal in Jeans und T-Shirt auf dem stählernen Koga von 1990 oder dem ebenso alten MTB. Ohne Tacho, ohne eine Strecke zu planen, aber dafür mit Genuss.
Doch neuerdings kommt es ganz allmählich wieder öfter vor, dass mich der Hafer sticht, dass ich mich voller Vorfreude im Renndress auf das Poison schwinge, den nächsten Hügel hinauffahre und auf der anderen Seite ohne zu
bremsen breit grinsend hinabsause. Dass ich mir eine Runde durch die Baumberge vornehme und diese noch um ein halbes Stündchen verlängere. Dass ich doch mal testweise aus dem
Sattel gehe, wenn sich ein Ortsschild zeigt. Dass ich mich schon Tage vorher auf die nächste Ausfahrt mit den
Leezenrittern freue. Und dass ich mir beim Blick auf das Hinterrad vor mir ausmale, wie es wohl wird, wenn ich am Dritten Oktober wieder im Pulk mit 40 Sachen unterwegs bin, und ob ich dann nicht vielleicht doch im ersten Drittel ankommen könnte?
Das wäre natürlich ein Ziel für 2014. Wichtiger sind mir allerdings andere Dinge: Die Freude am Fahren wiederzugewinnen, zum Beispiel. Und da bin ich ja auf einem guten Weg. Mein Ziel Nummer eins zur Zeit ist ein sehr konkretes, in Zahlen auszudrückendes: An meinem 45. Geburtstag im August möchte ich maximal 95 Kilo wiegen. Bis dahin habe ich noch gut 16 Wochen Zeit und muss 12 kg abspecken. Das Irre ist: Ich freue mich darauf, das in Angriff zu nehmen. Ohne Plan geht da natürlich nix. Und die Termine für die Saison wollen ebenfalls geplant werden. Dazu demnächst mehr auf dieser Welle.