Ich bin ja auch nicht nur Radfahrer sondern auch Fußgänger, Motorradfahrer und Autofahrer. Und wenn ich vierrädrig im Dunklen unterwegs bin muss ich auch immer wieder feststellen: Ein „Weihnachtsbaum“ ist besser zu sehen als jemand im Darth-Vader-Look. Umso mehr, wenn noch ein paar Wassertropfen auf den Scheiben sind und der nasse Asphalt reichlich Licht schluckt.
Auch ich bin mit Auto oder zu Fuß unterwegs. Und ich will nicht, dass alle Anderen bewestet und mit Rundumleuchte versehen unterwegs sein müssen.
Der Unterschied zwischen „Weihnachtsbaum“ und "Darth-Vader-Look" ist zwar riesig, aber es gibt irgendwo dazwischen auch noch die STVO-Beleuchtung und -reflektierung.
(Und selbst die könnte mal überarbeitet werden.)
Das Problem am "Zu Viel" ist nämlich, alles, was nicht blinkt und glitzert, geht schon einmal in der "Lichtshow" unter.
Früher war klar: kleines rotes Rücklicht - Radfahrer.
Heute: mehrere Reflektoren und Rücklichter können ein Radfahrer oder eine Gruppe sein. Fährt vorne ein "Weihnachtsbaum", wird der "normalbeleuchtete" Radler, der vorher überholt werden müßte, schnell mal übersehen.
Das Blöde an unserer Wahrnehmung: Wir konzentrieren uns v.a. auf das Auffällige. Das wäre in diesem Fall der "Weihnachtsbaum". - Der käme jetzt besonders gut weg, weil sich alle auf den konzentrieren. - Schlecht für die Anderen.
Nun sind die ja nicht blöd und rüsten nach und nach auch auf. Anfangs klappt das noch recht gut. Auch hier fallen die Weihnachtsbäume ganz besonders auf und die Anderen haben eben Pech.
Bis das dann kippt: Reizüberflutung! Alles blinkt, funkelt, leuchtet, ... - Nur können wir uns auf so viele unterschiedliche Dinge auf ein Mal gar nicht konzentrieren. Wir sind irgendwann nicht mehr in der Lage herauszufiltern, was nun wichtig ist und was nicht.
Insofern ist die einfachste Lösung, nämlich kleines rotes (nichtblinkendes) Rücklicht - und dann eine ganze Weile gar nichts - am besten.
Es ist nämlich ersteinmal völlig unwichtig, ob ich nun sehe, ob da ein Radfahrer unterwegs ist. Ich sehe, da ist ein anderer Verkehrsteilnehmer unterwegs und ich sehe sein Heck. - Das reicht als Information erst einmal völlig aus. - Dass es sich immer auch um einen sehr viel langsameren Verkehrsteilnehmer handeln kann, sollte mir völlig klar sein. (Aber ok, ich bin schon etwas älter und habe nicht nur noch Mopeds und Mofas erlebt, sondern ab und an auch noch Pferdefuhrweke und Eselkarren. Es gab sogar völlig unbeleuchtete Fußgänger.)
Und seit ich beim Wintertraining im Dunklen mit einer Warnweste unterwegs bin ist der durchschnittliche Überholabstand der Autos auch spürbar größer geworden.
Du sagst es ja selbst: "Warnweste". Die soll auf besonders gefährdete Personen und/oder auf gefährliche Momente hinweisen.
Klar, Fußgänger (auf Hilfe Wartende) auf der Autobahn, da sehe ich die Situation noch annähernd. Auch bei Bauarbeitern auf und/oder nahe der Fahrbahn.
Aber bei Radfahrern auf normalen Straßen? Das wird immer mehr zum Normalbild, bis die Warnweste eben nicht mehr als
Warnweste wahrgenommen wird. Blöd für die, die auf diese Art des "besonderen Schutzes" angewiesen sind.
Und was dann? Blinklicht? Rundumleuchte?
Ich finde das Verbot der blinkenden Fahrradrückleuchten richtig. Warum das als Kleidungszusatz oder gar als Gimmick am Fahrradhelm erlaubt ist, erschließt sich mir hingegen nicht.
Blinkendes Licht weist auf Gefahren hin. Oder aber zeigt Sonderfahrten an. (In Blau eben Fahrzeuge die mit Vorrang und evtl. auch noch mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs sind.)
Ist aber zu viel von dem Blinkekram unterwegs, werden nicht nur die Nichtblinker schlechter wahrgenommen, das Geblinke selbst, verliert durch die "Normalität" seinen Sonderstatus in unserer Wahrnehmung.
(Das haben wir vielleicht alle mal auf den Weihnachtsmärkten selbst erlebt. Die ersten blinkenden Mützen und deren Träger fielen noch auf. Als dann mehr Leute damit rumliefen, brachte es nichts mehr, seinen Bekannten zu sagen, "ich bin der mit der blinkenden Mütze". - Es blinkte überall. Später wuchs sogar der Nervfaktor. - Ist nämlich ziemlich uncool, wenn man an der Glühweinbude ansteht und vor Einem so ein Blinki ansteht. Der drängt sich nämlich völlig ungefragt in unsere Wahrnehmung.)
Jeder muss halt seinen Weg finden – egal ob nun StVO-komform oder einfach nur anders funktionierend. In erster Linie möchte ich gern immer wieder heil Zuhause ankommen.
Das ist eben das Problem: Jeder(!) will wieder heil Zuhause ankommen, denkt aber erst einmal nur an sich.
Das kann abseits der STVO schnell kontraproduktiv werden. - Vielleicht erst einmal "nur" für die Anderen.
PS. Ich habe beruflich mit dem Thema Wahrnehmung zu tun. Rein vom medizinischen Standpunkt her.
Und genau deswegen sehe ich in unseren sicherheitsbewesteten Kindern und auch erwachsenen Radfahrern ein Problem für uns alle.
Wir lassen die Kinder möglichst nur noch in Sicherheitskleidung raus, was 2 grundlegende Probleme erzeugt:
- Wir gehen das Risiko ein, unbewesteten Kindern und Erwachsenen nicht genügend Aufmerksamkeit entgegenbringen zu können. Wir nehmen uns selbst die Möglichkeit.
- Wir suggerieren unseren Kindern, die Welt wäre nur gefährlich. Wir machen weniger klar, dass die Gefahren, die existieren, andere Ursachen hat. Wir setzen auch viel weniger bei den Ursachen an. Dafür verschwenden(?) wir massig Energie darauf, lediglich symptomatisch zu handeln.
Heh, wir sollten vielleicht auch mal wieder vorleben, dass das Leben auch einfach mal nur schön ist. Dass wir uns unser Überleben nicht laufend erkämpfen müssen. - Und auch dafür sollten wir dort, wo es lohnt, mal eintreten.
Und mal ehrlich: Radfahren ist längst nicht so gefährlich, wie es gerne mal suggeriert wird. - Ich wünschte mir mal Helmkampagnen, die Hausarbeit betreffend. - Denn die ist statistisch gesehen nicht nur ganz besonders gefährlich, auch die Anzahl und Schwere von Kopf- und Hirnverletzungen sind enorm. - Aber nein, wir lassen es zu, dass uns ausgerechnet Radfahren als gefährlich verkauft wird.
(Die Teilnahme an Rennveranstaltungen ist natürlich extrem gefährlich. Aber die ganz normale Teilnahme am Straßenverkehr? Soo sehr dann ja wohl doch nicht. Und selbst die ließe sich durch andere Maßnahmen weit besser entschärfen.)
PPS. Noch einmal zu den STVO-Beleuchtungsvorschriften. Denen merkt man nur allzu oft an, dass sie aus anderen Zeiten stammen. Das betrifft sowohl die technischen Möglichkeiten, als auch die unterschiedliche Gewichtung der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer. - Genau diese Blüten gehörten m.E. überarbeitet.
Ich sehe keinen Sinn darin, einem kleinen Fahrrad mehr Bling Bling zukommen lassen zu müssen, als einem einfachen PKW.
Ich sehe allerdings auch die Radfahrer in der Pflicht, endlich nicht mehr im "Darth-Vader-Modus" rumzugurken. - Dunkelradeln ist einfach scheiße! Egal, ob man selbst noch genug sieht. Die Anderen werden ebenfalls gefährdet, weil die solche Typen eben nicht oder erst sehr spät erkennen.
Von mir aus fahrt gerne auch mit Akkufunzeln. Aber bitte nicht mit den elenden Blinkis.
Und bitte laßt die
Warnwesten denen, die wirklich auf die besondere Aufmerksamkeit angewiesen sind.