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Gelöschtes Mitglied 40342
'Prinzipiell' ist Carbon als Rahmenbaumaterial Stahl ueberlegen, wenn's darum geht einen Rahmen mit definierten Eigenschaften zu bauen - tut mir echt leid. Ich wuerde immer Stahl vorziehen, weil ich Stahl mag, den Produktionsprozess des Rahmens und er robust, reparabel und 'ehrlich' ist.
"You only can trust steel, Conan" ;-)
Verkennst du da nicht genau den Vorteil von Carbon. Ich hatte zumindest mal irgendwo gelernt, dass man durch Carbon eben nicht einfach nur bocksteife Rahmen machen kann, sondern die Steifigkeit ganz gezielt und präzise durch bestimmte Lage der Fasern manipulieren kann. Weiterhin hielt ich das immer für den Unterschied eines guten (teueren) Carbonrahmens zu einem billigen.
Im Prinzip habt ihr natürlich recht, Carbon ist ein Material, dass man sich so modellieren kann wie man es braucht, Flexibiltät und Steifigkeit genau an den Stellen und in die Richtungen zusammenmixen, dass ein hervorragender Rahmen dabei herauskommt.
Ich denke nur, dass es für den Bau von Randonneuern nicht so geeignet ist wie Stahl. Zum einen die Gabeln, die für die langen Strecken auf dem Randonneur gute Federungsqualitäten haben sollten. Ich habe bis jetzt noch keine wirklich schlanke Carbongabel mit starker Biegung gesehen, auch an den von JH getesteten Rädern nicht, ich denke einfach, das Material gibt so geringe Wandstärken und feine Durchmesser nicht her (über die Haltbarkeit von solchen Teilen möchte ich in dem Zusammenhang gar nicht diskutieren, da wird erst die Geschichte wirklich Aufschluss geben). Die Mode nun, überall Scheibenbremsen dranzuschrauben ist da auch nicht förderlich, da dafür die Gabeln viel steifer sein müssen. Die Materialstärke macht es wohl auch schwierig, genügend Platz zu lassen in den Gabelkronen, zwischen den Hinterbaustreben für Schutzbleche u.dgl.
Das zweite sind die für einen vernünftigen Randonneur nötigen Anbauteile und die dafür nötigen Anlötteile, Ösen, Gewinde. Wie bringt man die an an einem Randonneur aus Carbon in wirklich haltbarer Form an? Keines der von JH getesteten Carbonräder (gut, soviel waren es noch nicht...) hat da bisher überzeugt. Der Aufwand, den so etwas bei der Fertigung macht, dürfte wohl den Preis so in die Höhe treiben, dass es sich kaum lohnen dürfte. Das Material ist am besten für eine Massenfertigung glatter Rennradrrahmen ohne Schnickschnack geeignet.
Und zuletzt, wozu überhaupt einen Randonneur aus Carbon? Der Gewichtsvorteil spielt dabei kaum eine Rolle, ob der Rahmen 1.5 Kilo oder 2 Kilo wiegt, ist weit weniger wichtig als die Art und Weise, wie das Gesamtpaket zusammengestellt wurde. Auch hier macht es wieder einen Unterschied, wozu und wie das Rad gefahren wird. Für den Radprofi, der sein Material gestellt bekommt, jede Saison mindestens ein neues Rad, und dem es im Rennen auf Komfort kaum ankommt, sehr viel aber darauf, oben am Berg 10 Sekunden schneller zu sein als der nächste, mag Carbon nicht schlecht sein (und die meisten Freizeitsportler werden auch hierin die Profis imitieren, ob es für sie nun Sinn hat oder nicht). Ein Randonneur, der viele tausend € in ein perfekt passendes, individuelles Rad investiert, mit dem er die nächsten Jahrzehnte unterwegs sein möchte, und zwar bequem und schnell, dem es auf das letzte Quentchen Geschwindigkeit nicht ankommt, dafür aber sehr, nach 200/300.. km noch auf dem Rad sitzen zu können, der ist mit dem nun seit über100 Jahren erprobten Material Stahl meiner Ansicht nach am besten bedient.
Diese "Rennräder" (nicht Rennmaschinen), die in den 70er und 80er Jahren als flotte Alltagsräder verkauft wurden. Rennlenker sind im Stadtverkehr und ohne ausreichnede Rückenmuskulatur ergonomisch eine Katastrophe. .
Ich weiß nicht, ob die diese Rennräder so schlecht waren, die waren nämlich zu einem guten Teil ziemlich exakte Kopien der französischen Randonneusen, Rennlenker, Schutzbleche, Licht, Gepäckträger, und eben auch die gemässigte Sitzposition, ohne viel Überhöhung. Nur die Rahmen aus Wasserrohr waren natürlich zu steif um wirklich effizient zu sein, außerdem waren die Râder recht schwer, am Berg also nicht sehr lustig. Wenn man sich aber heute auf so ein Ding mal draufsetzt, stellt man fest, dass man damit ziemlich flott unterwegs sein kann. Frankreich dominierte ja bis in die 80er den Fahrradmarkt, da ist es nicht erstaiunlich, dass man sich daran orientierte, bis eben, wie du sagst, Ende der 80er die MTB-Welle nach Europa schwappte.