Bei der
Navigation bin ich unentschlossen.
Sehr gern mochte ich jahrelang kleine,
handgeschriebene Zettel mit den allernötigsten Angaben, also Entfernung vom letzten Wegpunkt - ggf. Orts- oder Straßenname oder markantes Objekt - Richtungspfeil.
Zusammen mit einem halbwegs genauen Kilometerzähler kommt man damit einigermaßen zurecht und muss nicht ständig in richtigen Karten mit brauchbarem Maßstab blättern, darf die aber natürlich gern dabei haben (so habe ich das auch viele Jahre lang im Auto gemacht).
Die Schwächen sind, dass man Zettel und Kilometerstand ständig im Blick behalten muss - und sich darauf verlassen, dass die aufgeschriebenen Angaben stimmen und noch aktuell sind, also alle Wege wirklich vorhanden und fahrbar.
Das klappt auch in modernen Zeiten nach genauer Ansicht der Luftbilder bei Google-Maps nicht immer.
Für die geplante Reise hatte ich mir aber doch lieber ein
Handy angeschafft (ja, wirklich wahr, mein erstes!), weil die Anzahl der nötigen Karten und Zettel einfach zu groß geworden wäre - ich will schließlich keine drei Leitzordner mitschleppen.
Ein ordentliches Smartphone-Display mit der Möglichkeit, gescheite Karten aller Art ständig zu sehen oder wenigstens aufrufen zu können, finde ich dabei auch besser, als ein Fahrrad-Navi mit kleinem Display und minimalistischen Angaben. Sein Handy hat sowieso jeder dabei, also darf es auch ordentlich im Sichtbereich befestigt und benutzt werden.
Wenig klassisch, optisch mehr so naja, aber halt insgesamt nicht doof.
Zum Navigieren habe ich mir
Komoot und
Osmand näher angeschaut und verwende beide.
Wirklich spitze sind beide nicht.
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Komoot macht die Planung sehr leicht, wenn man sie in Ruhe an einem ordentlichen Rechner mit richtigem Monitor erledigt.
Praktisch alle für die gewählte Sportart vorgeschlagenen Wege hat tatsächlich schonmal ein Nutzer bestätigt, oft auch Fotos davon gemacht (Tipp: "
Trail View" anschalten, dann die grünen Punkte an den gewählten Strecken anklicken).
Die
Streckenbeschaffenheit wird meistens treffend angezeigt, Steigungen, Fähren, Hebebrücken, gesperrte Straßen usw. auch.
Jeder Nutzer kann zur Aktualität der Karten aktiv beitragen und sollte das meiner Meinung nach auch tun.
Die Route kann man nach Sportart und persönlicher Fitness planen, muss dabei aber aufpassen:
"Rennrad" bevorzugt gegenüber "Fahrrad" zwar gut geteerte Strecken, baut aber auch absichtlich zusätzliche Höhenmeter ein, die nicht unbedingt nötig sind.
Die reale Schnittgeschwindigkeit für "Fahrrad" liegt bei halbwegs durchschnittlich Trainierten oft schon oberhalb von "gut in Form", deshalb kann man die Zeitvorschläge gern inklusive Pausen annehmen.
Die nötigen
Karten sollte man sich vorher
aufs Handy laden (für ausgedehnte Reisen in Nachbarländer empfehle ich, sie einfach zu kaufen) und die geplanten Strecken dort
offline verfügbar machen.
Die Navigation funktioniert ohne "
mobile Daten" nicht schlechter oder langsamer, kann dann aber keine alternativen Routen berechnen, wenn man vom Weg abgekommen ist oder absichtlich einen anderen nehmen will oder muss.
Auf ca. 120 km "verbrauchen" aber auch die mobilen Daten meistens bei weitem keine 100 MB, eher so 40-60.
Das "
Aufwecken" des dunklen Displays bei Annäherung an die nächste Wegänderung funktioniert einigermaßen, aber nicht vollkommen zuverlässig.
Im kleinteiligen Gewimmel lässt man das Display lieber eine Weile an.
Nachteile von Komoot:
Die angegebene Wegbeschaffenheit stimmt manchmal nicht und angeblich toll befestigte Wege lassen sich nicht mal zu Fuß bewältigen, wenn man dummerweise auch noch ein bepacktes Fahrrad dabei hat. Deshalb rate ich Fahrern auf schmalen Straßenreifen davon ab, bei Komoot unbefestigte Wege auszuwählen ("fester Kies"), bzw. rate ich zur Kontrolle auf dem Luftbild, an fragwürdigen Stellen auch im Vergleich mit Google Maps (meist aktueller und in besserer Auflösung).
Aktuelle Streckenverhältnisse werden praktisch nicht erfasst, man landet also mit dem Rennrad auch schonmal auf einer komplett umgegrabenen Bundesstraße, die seit über einem Jahr schlicht nicht mehr existiert, z.B. wegen Kanalarbeiten - und die Alternativen findet das Ding dann einfach nicht, womit wir gleich beim nächsten Nachteil sind:
Komoot braucht auch bei guter 5G-Verbindung mit mobilen Daten und wiederholter manueller Bestätigung einer "alternativen Route" oft eeeewig, manchmal kilometerlang, bis es wirklich mal eine Alternative vorschlägt. Eigentlich will es erstmal sehr lange nur wenden und zurück auf die geplante Strecke; dann braucht man ein dickes Fell und einen gewissen Überblick z.B. auf der ausgezoomten Karte oder in der realen Umgebung.
Die Karte selbst bietet wenig Details (Kartenansicht) oder wenig Übersicht (Luftbild), lädt aber unbemerkt und sehr schnell nach. In kleinteiligen Stadtsituationen empfiehlt sich eine vergrößerte Darstellung, weil man sonst oft den Zickzackkurs über die Radwege nicht rechtzeitig erkennt.
Die Wegansage über Lautsprecher darf komplett aus bleiben, weil sie (mich) nur nervt.
Vorschläge z.B. zu Restaurants, Trinkwasser und Unterkünften werden offenbar ausschließlich auf Anbieterwunsch hin als Werbung geschaltet und sagen überhaupt nichts aus bzw. werden schlicht nicht angeboten.
Die Routenplanung in der App taugt wenig und ist grausam zu bedienen, wenn die vorgeschlagene Basisroute manuell angepasst werden soll - das kann man vergessen, das sollte man sich nicht ohne Not antun.
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Osmand, die "originale" Navigation von Open Street Maps,
bietet eine irre Auswahl an Darstellungen, Informationen und Möglichkeiten und ist nicht auf bestimmte Sportarten zugeschnitten; man kann damit auch prima autofahren.
Jeder Nutzer kann es auf die gewünschten
Profile einstellen und dafür auch mehrere Profile anlegen, so z.B. auf Radreisen ungeteerte Wege, Steigungen und Bundesstraßen vermeiden.
Es ermöglicht eine 3D-Darstellung der Route samt Umgebung, alternativ Höhenlinien, genaue Oberflächenbeschaffenheit, aktuelle Höhe, Steigung usw. und
zieht aus dem gleichen Kartenmaterial deutlich mehr Informationen, als Komoot. Nötig oder sinnvoll ist davon allerdings nur wenig.
Für Fernreisen sollte man das passende Kartenmaterial ebenfalls kaufen und aufs Gerät laden, oder für einige Monate die Pro-Version buchen. Die Karten sind umfangreich und belegen entsprechend viel Speicherplatz, lassen aber auch kaum Wünsche offen.
Die Routenanzeige beim flotten Fahren gefällt mir hier besser, als bei Komoot und scheint auch präziser/schneller zu reagieren; allerdings laden die Karten nicht immer in Echtzeit nach, wenn unterwegs der Zoomfaktor angepasst wird.
Änderungen der Route, ob absichtlich oder nicht, werden etwas schneller erkannt und auch ohne mobile Daten (!) wird die abweichende Route zuverlässig neu berechnet, aber das geht nicht immer schneller, als bei Komoot und man fährt auch oft erstmal eine ganze Weile ohne Unterstützung durch die Landschaft. Insgesamt scheint die Neuberechnung hier aber zuverlässiger und flotter zu sein.
Das aktuelle
Verkehrsgeschehen samt Straßensperrungen usw. scheint Osmand gut bekannt zu sein; meistens kann man sich darauf verlassen.
Die Vorteile vom Osmand sind leider gleichzeitig auch seine
Nachteile:
Die Menüführung ist derart
umfangreich und vertrackt, dass die Einstellung der gewünschten Parameter nicht schnell und oft auch nicht ohne Anleitung möglich ist; die hauseigenen Anleitungen sind aber oft veraltet und stimmen überhaupt nicht mehr. Dann stochert man ziemlich rum.
Die eingeblendeten Informationen können, je nach Umfang, schnell von der eigentlichen Route ablenken und die Anzeige unübersichtlich machen; man prägt sich also besser den schnellsten Weg z.B. zur Anzeige von Restaurants gut ein und wählt diese Option nur, solange sie wirklich gerade nötig ist. Dafür werden aber offenbar wirklich alle Möglichkeiten angezeigt, die jemals irgendein OSM-Nutzer eingetragen hat oder die Google auch findet.
Die
Routenplanung funktioniert
nur in der App, weil es bislang keine PC- oder Browserversion von Osmand gibt. Sie reagiert recht langsam und lässt sich nicht immer so problemlos anpassen, wie es einige Lehrvideos zeigen; oft fliegt man mittendrin mehrmals aus der halbfertigen, halb gespeicherten Route und fängt dann wieder von vorne an, oder findet Abweichungen, die man sicher nicht eingetragen hat, oder ein völlig anderes Fortbewegungsmittel - das ist einfach Mist.
Sinnvoll finde ich:
- Routenplanung in aller Ruhe am PC/Browser in Komoot machen, Trail View und Luftbild nutzen, Feinheiten anpassen
- Strecke als GPX exportieren (das am besten direkt auf dem Handy)
- Strecke in Osmand laden und mit passend eingestelltem Fahrrad-Profil navigieren
- "Agrar-Karte" anzeigen lassen, um auch ohne Satellitenbild gut zwischen Feld, Wald und Bebauung unterscheiden zu können
- bei Bedarf Verpflegungs- oder Übernachtungsmöglichkeiten kurzzeitig einblenden