Für die FTP gibt es unterschiedliche Definitionen und Konzepte, die - wie
@eins4eins völlig zu recht schreibt - teilweise überholt sind. Das gilt insbesondere für den 20 min. -Test, von dessen Leistungswert man dann 5% abziehen sollte. Der Test liefert zwar durchaus verwertbare Infos und taucht zwar auch in der ersten Auflage von Allen/Coggans Buch "Training an Racing with a
Powermeter" auf, Coggan hat aber mehrfach betont, dass dieser Test nicht das beste Verfahren zur FTP-Ermittlung ist.
Lange Zeit wurde vom Coggan ein 60 min.-All Out-Test als beste Methode propagiert (siehe z.B. die Abhandlung hier über die von Coggan empfohlenen Methoden zur FTP-Bestimmung
https://wattmatters.blog/home/2008/05/the-seven-deadly-sins.html), aber auch dieser Test ist mittlerweile zum Teil durch neue Methoden überholt. In den neueren Versionen des Softwarepakets WKO+ (seit Version 4), an denen Coggan mitgearbeitet ist, ist z.B. ein mathematisches Modell (sog. Power-Duration-Model, PD-Model) integriert, dass die FTP aus verschiedenen unterschiedlich langen All-Out-Belastungen (z.B. unterschiedlichen Intervalltrainings) errechnet. Typischerweise liegt die FTP dabei irgendwo im Zeitbereich zwischen 30 und 70 min. Das WKO-Modell liefert dabei neben der Wattangabe für die FTP auch noch eine Kennzahl für die Dauer, über die die man die FTP halten kann. Dieser Wert nennt sich im WKO-Modell "Time to Exhaustion"/TTE.
Viele werden sich wahrscheinlich jetzt fragen, wie es kommt, dass es so unterschiedliche Tests und Konzepte für die FTP gibt? Dazu muss man sich ein bisschen mit den physiologischen Grundlagen befassen. Die FTP ist eigentlich ein "Surrogat" für die Leistung am Maximalen Laktat-Steady-State bzw. der sogn. "Laktat-Schwelle". Das Maximale Laktat-Steady-States (MLSS) ist physiologisch gesehen der gegenwärtige Goldstandard für die Bestimmung und markiert den Punkt, an dem sich der Stoffwechsel (Laktatproduktion und Laktatabbau) gerade eben noch annähernd im Gleichgewicht befindet. Definiert ist das MLSS als die Belastungsintensität, bei der eine Leistung über den Zeitraum von 30 Minuten konstant gehalten werden kann und sich dabei die Blutlaktatkonzentration über die letzten 20 Minuten des Tests um nicht mehr als 1 mmol/l Blut erhöht. Das MLSS lässt sich nur durch mehrere Tests im Labor über jeweils 30 Minuten mit unterschiedlichen Leistungen bestimmen, bei denen jeweils durch Blutabnahmen kontrolliert werden muss, ob die Bedingung eingehalten wurde, dass sich die Blutlaktatkonzentration in den letzten 20 Minuten des Tests um nicht mehr als 1 mmol/l Blut erhöhen darf.
Es liegt auf der Hand, dass die MLSS-Bestimmung sehr aufwändig ist. Daher greift man in der Praxis ersatzweise auf Stufentests mit Laktatdiagnostik zur Bestimmung der Laktatschwelle (LT), Spiroergometrien (Stufentests mit Atemgasanalyse) zur Bestimmung der zweiten Ventilationsschwelle (VT2) oder andere Verfahren wie einfache FTP-Tests zurück, die ohne Labordiagnostik auskommen aber dennoch für die Trainingssteuerung und das Monitoring der Form hilfreich sind, weil die Werte, die man mit diesen Tests gewinnt, statistisch eng korreliert sind mit dem MLSS. Bei diesen FTP-Tests geht es also darum, einen Test bzw. ein daraus abgeleitetes mathematisches Modell zu finden, dass die Leistung, die innerhalb eines MLSS-Tests erbracht werden kann, approximieren kann.
Dabei gibt es eine wechselseitige Beziehung zwischen MLSS, LT, VT2, FTP aus 20 min.-Tests, FTP aus 60 min.-Tests etc., die Werte die man aus den verschiedenen Verfahren
erhält sind aber nicht identisch
Die Ausführung mögen verdeutlichen, dass die FTP eben keine "absolute Wahrheit" wiedergibt, sondern eine Abbildung komplexer physiologischer Zusammenhänge. Dabei funktionieren auch nicht alle Verfahren gleich gut. Wahrscheinlich liefern sowohl ein 20 Minuten Test wie auch ein 60 min. Test zwar nicht immer aber doch in vielen Fällen ganz brauchbare Werte. (Hier ist mal untersucht worden, wie gut ein FTP-Test über 20 min., mit dem LT übereinstimmt
https://journals.humankinetics.com/doi/abs/10.1123/ijspp.2018-0008) Das in WKO ab Version 4 integrierte PD-Modell dürfte eine weitere Verbesserung der FTP-Schätzung darstellen.
Ziemlich sicher ist aber auch, dass kurze Tests sehr viel anfälliger für Verzerrungen sind, weil bei kurzen Testdauern nicht nur die aerobe Ausdauer das Ergebnis beeinflusst, sondern auch anaerobe Leistungskomponenten sowie die maximale Sauerstoffaufnahme zu einem leistungslimitierenden Faktor wird Daher halte ich insbesondere die weiter oben angesprochen 8 min. Tests für weniger geeignet.