Jugenderinnerungen die ich mal als Buch bringen wollte aber abgelehnt wurde.
Aber ihr müsst es lesen. Keine Wahl
Wochta/Schanti und das Selfmade-Bahnrad
Unser Wochta (Wächter) hatte von Haus aus etwas gegen Rennrad-Fahrer. Egal wo er uns sah, eine Kontrolle war fällig. Der Mann sah aus wie der Dicke aus den Ostkrimis, der immer mit der Beiwagenmaschiene rumfährt. Eine impossante Erscheinung und folgedessen im Dorfleben (7000 Ew.) leicht zu erkennen. Da unser Städtchen eigentlich nur aus einer Hauptstraße und vielen Nebenstraßen bestand, konnte man, wenn man aufmerksam war, vor ihm abbiegen. Das gelang nicht immer. Manchmal erwischte er uns.
Er wußte genau, daß er mit der
Puchenen keine Change hatte und lauerte uns folgedessen meist hinter irgendwelchen Ecken auf. Wenn der vom Bürgersteig (sowas hatten wir auch schon) runterstieg, war das wie ein Felsbrocken. Da rumzufahren war schwer. Bedeutete ein Ausweichmanöver auf die andere Straßenseite; und außerdem kannte er uns alle beim Namen und kannte auch unsere Familien. Flucht also zwecklos.
Wenn er einen hatte, ging das ganze immer in der selben Prozedur ab. „Fahrzeugkontrolle! Wo ist deine
Klingel"? „Brauch ich beim Rennrad nicht" (mit zaghafter Stimme). „Was Du brauchst, bestimme ich! Wo ist dein Licht"? Schulterzucken. „Rückstrahler"? Schulterzucken. „Auch keine Rückstrahler an den Pedalen"? Ich wurde immer kleiner. Rechnete mir schon alles zusammen und das sah nicht Gut aus. Am Ende, als er wieder seine Macht demonstriert hatte, ließ er uns mit einem Haufen Androhungen wieder fahren. Anschließend im Freundeskreis wurde wieder geprahlt, was wir nicht alles erwidert hätten. In Wirklichkeit hätten wir unterhalb der Gehsteigkante weiterfahren können. Soviel zu unserem Schanti (Gendarm).
Irgendwann im tiefsten Winter - allerdings ohne Schnee (das gibts auch manchmal bei uns) - kam mir die Wahnsinnsidee, mir eine Bahnmaschine zu bauen. Zeit hatte ich, Material lag rum, also los. Mein alter Rahmen, starre Übersetzung (ich glaub 50/16 oder 15), Pedale flogen auch durch die Gegend, Lenker natürlich (Straßenlenker) und mein zwischenzeitlich ausrangierter orangefarbener Plastiksattel. Starke Lenker - Sattelüberhöhung eingebaut und schon sah das Teilchen wie ein Bahnrad aus. Tja, jetzt fehlte nur eine Probefahrt.
Ich raus vor die Haustür. Unsere Straße war ca. 400 m lang. Langsam runtergerollt, Klipsriemen festegezogen und ein paar Antritte versucht. Ging prima ab das Teilchen. Fuhr unaufgewärmt bei bestimmt minus 1-5 Grad ein paar Sprints, und es machte mir richtig Gaudi. Bis der Fels vor mir stand. So sprachlos hab ich den noch nie gesehen! Er umrundete mich mit meiner Bahnmaschiene ein paar mal, bevor er seine Sprache wiederfand. Die üblichen Fragen nach Licht usw. ließ er heute weg und fragte nur in einer an Donnergrollen erinnernde Stimme: „WO sind Deine
Bremsen"???? Erklärungsnotstand. Irgendetwas hab ich bestimmt gesagt, es kann nicht viel gewesen sein. Unser Respekt vor der Amtsgewalt war viel zu groß. Nach einem etwas längerem Vortrag mußte ich mit ihm zusammen zu Fuß den Heimweg antreten. Er immer schön neben mir, alle Leute guckten und ich kam mir vor wie der Dorfdepp. Irgendwann war auch diese Blamage zu Ende. Und ich bin mit dem Rad auch 1x auf der Radrennbahn in Wien gewesen, wo ich mich fürchterlich gelöffelt habe.
Sozialstation und Radsportforen
Eigentlich kann ich nur sagen, daß ich eine verdammt schöne Jugend hatte. Ich war 14 Jahre jung, 170 cm groß und hatte sagenhafte 39 Kilo. Meine Mutter sagte immer, mir tut die Schule weh. Irgendwann schleppten meine Eltern mich zum Lungenarzt, welcher bei mir dunkle Schatten auf der Lunge feststellte und meinen Eltern empfahl, mich zu einer Sportart zu bringen. Unser Städtchen hatte 7000 Einwohner; 2 Fußballvereine,Boxer, einen Turnerbund und einen Radsportverein.
Im Radsportverein hatte mein Vater einen Bekannten, der die Jungs trainierte. Im Volksmund nannten sie ihn „Neger". Bei uns Jungen hieß er nur „Trainer". Trainer war Stadtangestellter, für die Grünflächen zuständig und dadurch in der ganzen Stadt immer für uns erreichbar. Auch im Winter, wenn er seine Geräte pflegte, konnte man immer vorbeikommen mit einem RR Problemchen, welches er sofort löste. Der Rasenmäher konnte warten.
Man muß sich vorstellen: Trainer wohnte mit seiner Frau, einer liebenswerten Dame in einer (ich glaube) 3 Zimmer-Wohnung. Sie hatten 2 Kinder und das ganze Leben spielte sich in einer Wohnküche ab. Da saßen manchmal bis zu ...- jetzt muß ich zählen... Peter Schani, Dieter, Pongo, Anton, Etgar, KL. Biber, Rudi, Werner und ich. Stellt euch das ganze auf 20 qm vor und ihr habt ein Gesamtbild. Zwischendurch wurde von der Familie noch Abendbrot gegessen, was uns und sie nicht störte. Die Fachsimpelei fand ich immer am schönsten. Mein Blick ruhte die meiste Zeit auf den Pokalen, die Trainer und sein Sohn schon gewonnen hatten. Manchmal gings auch runter in Trainers Schuppen, wo grundsätzlich Freitags großer Treff und Radpflege angesagt war. Der Schuppen hatte max. 10 qm, war vollgestopft mit
Werkzeug und Ersatzteilen. Darin bewegten sich jetzt der Trainer mit den 14-19 jährigen und jeder versuchte, sein RR fürs Wochenende fit zu machen. Im Grunde wars eine private Sozialstation (so würde man wohl heute sagen). Auf alle Fälle lernte ich dort in spielerischen Form die Grundregeln des Radsports.
Das, liebe Sportskollegen, ist es, was uns heute fehlt. Weitergabe von Wissen in spielerischer Form, keine Rechthaberei, keine Vorschriften und Verbote, sondern das einfache Vorleben. In dieser Weise steht unsere Jugend heute beschissen da. Wer in einem Forum schreibt schon über eigene Fehler? Alle dort sind Perfekt! Glaubt Ihr, davon lernt die Jugend?
Sind alles arme Schweine, die sich ihr Wissen aus einem Forum zusammensuchen müssen und dabei auch noch manchmal auf Prahler hereinfallen. Früher gabs den Spruch: Es wird nirgens soviel gelogen wie beim Spritverbrauch und beim Sex. Für mich kommen auch noch einige Radsportforen dazu.