Ich beobachte seit geraumer Zeit nicht nur hier, wie man das allgegenwärtige
"immer mehr, immer mehr" beim Licht eben mit noch mehr Licht kontern will (auch im Kfz-Verkehr, in der Straßenbeleuchtung, ...) oder mit Blinklicht gegenhalten, wo das nicht möglich ist.
Das ist grundsätzlich erstmal verständlich und kann ja für die Einzelperson auch sinnvoll sein, aber ich frage mich gerade, welche Möglichkeiten eine interessierte Gemeinschaft hätte, diesem "immer mehr" sinnvoll und effektiv entgegenzutreten.
Wenn ich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte erstmal
vom Auto aus betrachte, was als gängiger Maßstab leicht fällt, finde ich:
- Gutes Fahrlicht bei Nacht ist viel wert, da gibt es nichts zu meckern.
Wenn gutes Fahrlicht aber bei motorisierten Verkehrsteilnehmer längst sichergestellt ist, also mindestens Halogen, meistens aber schon Gasentladung und gelegentlich LED, wirken weitere Maßnahmen zunehmend fragwürdig:
- Reflektierende Straßenschilder, vor allem außerorts. Ich meine - die Dinger sind meistens riesig, müssen die einem unbedingt überall so gleißend entgegenschlagen, wie es aus dem Scheinwerfer kommt? Wenn es sowieso schon viel zu viele solche Schilder gibt? Das Ergebnis ist doch nur, dass man auf einer einsamen Landstraße neben so einem Schild nicht mehr viel erkennt.
- Reflektierende Straßenmarkierungen, gleiches Thema. Haben wir ernsthaft Probleme, außerorts die Grenzen des Fahrbahnbelags oder Sperrflächen zu erkennen? Echt jetzt? Würde da nicht der simple, weiße Strich ohne Glasperlen reichen, der das über 50 Jahre lang auch bei sehr viel schlechterem Licht getan hat? Mich würde wirklich die Unfallstatistik interessieren, wie viele Leute jährlich einfach mal so seitlich in die Büsche oder Leitplanken fahren und das bei reflektierenden Begrenzungsstreifen nicht getan hätten.
- Tagfahrlicht. Schon vor über 20 Jahren warb der ADAC für dessen Nachrüstung - und zeigte genau in seinen Werbematerialien, was jeder normale Mensch dabei denkt: "Und die Fußgänger? Und die Radfahrer? Und die Motorradfahrer?" Abgebildet war ein Mittelklasseauto auf einer schattigen Allee, einmal mit und einmal ohne Tagfahrlicht. Auf dem zweiten Bild war eine Einmündung samt Absperrgitter/"Radlerschleuse" kaum noch zu erkennen. Tolle Idee. Ganz ehrlich: Wer am hellichten Tag mit Licht fährt, hat doch echt einen laufen - und wer tagsüber wirklich Licht braucht, kann es dann auch einfach anschalten. Zum Beispiel in einem Tunnel, oder bei Nebel.
- Xenonlicht. Je blauer, desto besser gilt da scheinbar so sehr, dass es in den ersten Jahren einen Markt für blaugefärbte Halogenbirnchen gab, wo vorher eher das französische Gelblicht imitiert wurde, z.B. mit den Allweather-/Allseason-Birnen. Wer das wirklich mal direkt vergleichen konnte, stellte oft fest: Im gleichen Lichtstrom mit "gelblicher" Farbtemperatur erkennen viele Menschen mehr, vor allem in den weniger gut ausgeleuchteten Randbereichen. "Xenonlicht" müsste übrigens genausowenig blau sein, wie LED-Licht.
- Kleine Lichtquellen, Projektionsscheinwerfer. BMW machte diesen Fehler schon mit dem Halogenlicht, seitdem zogen fast alle Hersteller nach: Wozu noch ein teures Streuglas, wenn man mit einer ausgefeilten Linse und einem ausgefeilten Reflektor (oder ganz ohne solchen) die gleiche Lichtstärke doch viel billiger und auf kleinerem Raum erreichen kann? Dumm nur, dass die gleiche Menge Licht aus einer kleineren Austrittsfläche von anderen Verkehrsteilnehmern deutlich störender wahrgenommen wird; sie "blendet" eben, obwohl die Scheinwerfer völlig korrekt eingestellt sind (das Thema finden wir ja auch beim Rad). Mercedes hat einige Jahre lang am Streuglas festgehalten, auch vor Xenonlampen; eine gute und richtige Entscheidung. Ausgerechnet auf den Wannenreflektor mit rückwärtsgerichtetem Emitter kam bei den Kfz-Herstellern lange niemand, da war in der Serienfertigung sogar die Radbranche schneller.
- Adaptives Kurvenlicht. Ein mitschwenkender Abblendscheinwerfer wie beim seligen Citroen DS ist eine feine und richtige Sache, ein vom Lenkeinschlag angeschalteter Nebelscheinwerfer nicht. Das ist in jeder Hinsicht dämlich und eigentlich eine Frechheit, sowas als Innovation verkaufen zu wollen. Es nervt, es sieht einfach auch irgendwie "kaputt" aus.
- Ambientebeleuchtung. Wer um alles in der Welt braucht farbiges Stimmungslicht in einem fahrenden Auto? Und wovon lenkt das selbstverständlich ab, na? Richtig. Dank solchem Unfug braucht man draußen dann wieder mehr Licht.
- Unübersichtliche Autos geben der ganzen Sache dann den Rest, da hilft auch kein noch so helles Licht.
Von angeblich mündigen Verbraucher aus braucht man sich dem ganzen Thema nicht zu nähern, das wäre hoffnungslos. Immer mehr ist halt längst auch immer geiler, und irgendwie will das ja jeder.
Interessanter wird da schon die Energie-, sprich: Umweltbilanz.
Sagen wir mal, bei einem alten Auto mit echter Glühfadenbeleuchtung werden bei Abblendlicht um die 150 Watt fällig. Realistisch nachgerechnet sind es oft eher 170, aber ach, egal. Das ist nicht viel, das ist im Vergleich zur Motorleistung und Lichtmaschinenleistung ein Witz und fällt auch beim Mehrverbrauch kaum ins Gewicht, aber aufgebracht werden muss diese Leistung eben doch. 0,15 Liter mögen das rechnerisch sein; wer mal lange Strecken nachts gefahren ist, wird vielleicht bemerkt haben, dass es bei manchen Autos mehr ist.
Im Xenon-Zeitalter bleiben davon vielleicht noch 100 Watt übrig, mit LED und Tagfahrlicht gern sehr viel weniger und der Mehrverbrauch wird kaum noch außerhalb des Toleranzbereichs zweier identischer Fahrzeuge liegen, den einzelnen Nutzer stört das also nicht.
ABER:
Wenn der nötige Zusatzaufwand für Kfz-Zwangsbeleuchtung am Tag auch nur einem Energieäquivalent von 10 ml Benzin auf 100 km entspricht und wir noch viele Jahre in der realen Welt den Verbrennungsmotor als zahlenmäßig überwiegende Antriebsform akzeptieren müssen, und wenn wir das auf eine innerdeutsche Pkw-Gesamtfahrleistung von ca. 640 Milliarden Kilometern pro Jahr umrechnen,
sind es eben auch 64 Millionen Liter Benzin, die vollkommen nutzlos verfeuert werden.
Die fiese Pauschalisierung "alle Autos fahren immer mit Licht" steht dabei dem real deutlich höheren Energiebedarf der allermeisten Fahrzeuge gegenüber, die das tatsächlich tun; Tag- und Nachtkilometer müsste man natürlich noch aufdröseln. Dennoch ergibt sich da eine interessante Einsparmöglichkeit ohne echte Reue.
Die weitgehend unnötige, heute aber leider übliche "
Schlossbeleuchtung" nächtlicher Ansiedlungen (
öffentliche Flächen, Wege und Privathaushalte) müsste man auch mal so betrachten.
Auch da würde ich mich über eine Unfallstatistik freuen, falls es sie denn geben sollte: Kommen in hell erleuchteten Innenstädten womöglich prozentual mehr Radfahrer und Fußgänger zu Schaden, als in solchen mit sparsamerem Licht?