Ich habe ein Guylaine, mit Träger hinten, mit dem ich jeden Tag zur Arbeit fahre, und eine Alex SInger Randonneuse mit Träger vorne fürs Wochenende. Vorne ist besser.
... aber nur bei einer bestimmten Rahmen- und Gabelgeometrie, und bis zu einem gewissen Ladungsgewicht - selbst Jan Heine, der ja nun der "Französische-Geometrie-mit-Fronttaschen"-Propagandist schlechthin ist, betont stets, dass er immer nur relativ wenig, und vor allem leichtes Gepäck in seine Lenkertasche(n) tut, weil (und das schreibt er natürlich immer nicht dazu ...) es selbstverständlich ungünstige Folgen hat, größere Lasten so hoch am Rad, und mitlenkend, unterzubringen.
Der einzige, der das m. W. mal systematisch und unvoreingenommen untersucht hat, war Jim Blackburn (hier auf der Rückseite einer Lowrider-Verpackung aus den frühen 1980er Jahren):
Und dem schließe ich mich aus eigener Erfahrung an: wünschenswert sind eine gute Gepäckverteilung vorne und hinten (wobei die Lowrider-Taschen m. E. ruhig schwerer beladen werden sollten als die hinteren Taschen), und allenfalls leichtes Gepäck, das man während der Fahrt griffbereit haben möchte, in der Lenkertasche (die möglichst nahe am Lenker montiert sein sollte, was bei den heutigen Click fix et al.-Taschen von vornherein schon nicht möglich ist).
Wundert mich auch nicht, da das zu einer Zeit entstanden ist und verfeinert wurde, als in Frankreich sehr viel und weit Rad gefahren und technisch alles mögliche - auch an aufwändigsten Trägern -ausprobiert und in Fachzeitschriften diskutiert wurde, während Deutschland damit beschäftigt war sich zu motorisieren und Fahrräder Arme-Leute-Gefährte waren, denen man keine weitere Aufmerksamkeit schenkte.
In Bezug auf Deutschland stimmt das nur eingeschränkt, da es hier bis zur generellen Krise der Zweiradindustrie ab 1954 eine große und bedeutende Industrie gab, die durchaus auch hochwertige (und entsprechend teure) Fahrräder herstellte, die selbstverständlich in entsprechenden Fachzeitschriften vorgestellt und diskutiert wurden (der 'Radmarkt' ist definitiv eine lohnende Lektüre). Richtig ist, dass das Fahrradgewerbe in Deutschland in der "Boomphase" zwischen etwa 1935 und 1955 im Vergleich zu Frankreich nicht besonders innovativ war, und sich in der Regel auf Detailverbesserungen der existierenden Grundformen beschränkte.
In England, wo im gleichen Zeitraum ebenfalls sehr viel und weit Rad gefahren wurde, kam man ja generell zu einer anderen Lösung, nämlich den "Schrankkoffer"-Satteltaschen, die ich bei mittleren Lasten auf jeden Fall einer Lenkertasche vorziehen würde, da sie (wenn sie richtig befestigt sind) sich sehr unauffällig verhalten und das Fahrverhalten des Rades weniger ungünstig verändern als hintere Gepäckträgertaschen oder (schwere) Lenkertaschen.
Und die Pariser Zeitungsboten sind ab den frühen 1960er Jahren, als sie sich das finanziell leisten konnten, sofort und gerne von ihren Porteur-Fahrrädern auf häßliche Mopeds umgestiegen, weil die Arbeit so natürlich viel leichter und schneller zu erledigen war ...
Generell kam die Motorisierung in Frankreich sicherlich etwas langsamer auf, und das Fahrradfahren (in Bezug auf Deutschland müßte man sagen: das Fahren von Zweirädern, also nicht-überdachten Fahrzeugen) ist dort nie so sehr ins Abseits geraten wie in Deutschland, aber die Franzosen waren und sind definitiv begeisterte Autofahrer (Frankreich war ab den späten 1890er Jahren das europäische Auto-Land schlechthin, bereits mit einer regelrechten Serienproduktion, als in Deutschland und England Autos noch einzeln als Manufakturprodukte hergestellt wurden - das erste in Deutschland am Fließband gebaute Auto, der
Opel Laubfrosch, war dann auch folgerichtig eine Kopie des Citroën 5 HP ...), und daher wurden die Radfahrer in Paris und anderen französischen Großstädten ab den 1960er Jahren genauso marginalisiert und an den Straßenrand verdrängt wie in Deutschland - in dieser Hinsicht sollte man sich keinen roman(t)ischen Illusionen hingeben.