Wie ich zum Rennradfahren gekommen bin? Durchs Radfahren.
Gleich vorweg: ich bin Ü60 und fühle mich mehr als Aktiver denn als "Senior".
Als Kind und Jugendlicher immer gern Rad gefahren. Allerdings in der Schule den Sportunterrricht gehasst. War in der Klasse der Jüngste und Kleinste, sportlich unbegabt. Erst lernte ich auf Opas altem Stahlrad Radfahren, später kam das eigene Tourenrad. Dann lange Pause - Beruf und tausend andere Interessen. Mit Ende 30 entdeckte ich meine Liebe zum Ausdauersport: Langlauf, Schwimmen, Radfahren. Machte mein eigenes Triathlon-Training und wurde besser und besser. Anfang 40 der erste und einzige Marathonlauf - ohne Problem.
Mit meinem Peugeot-Tourenrad nahm ich an verschiedenen RTF-Touren im Großraum Frankfurt teil. Das sind Radveranstaltungen, bei denen man wahlweise eine kürzere, mittlere oder längere Strecke fahren kann, bei denen zwar keine Zeit gestoppt wird, unterwegs sich dennoch oft kleine Rennen mit anderen Teilnehmern geliefert werden. Werde nicht vergessen, wie einer der vorbeiziehenden Rennradfahrer zu mir sagte: "Würdest du hier mit einem Rennrad fahren, wärest du ganz vorne mit dabei." Das Interesse am Rennrad war da - nur das Kleingeld fehlte.
Sprung weiter ins Jahr 1998. Inzwischen war ich beruflich selbständig und hatte Zeit und Geld fürs Rennrad. Ich ging hier in Erfurt in einen Radladen und kaufte das gelbe Cannondale-Rennrad, von dem ich heute Fotos hier ins Album gesetzt habe. Ich machte keine Probefahrt vor dem Kauf, ich wollte es einfach wagen. An Click-Pedale war ich schon durchs Tourenrad gewöhnt. Und dann die erste Ausfahrt. WOW - "das Ding fährt wie eine Rakete" schoss es mir durch den Kopf. Das ging doch viel flotter als mit MTB und Tourenrad. Im Herbst 1998 das erste Mal auf Mallorca. Dort ein Rennrad gemietet. Und wie das Leben so spielt: meine Mitarbeiter nahmen mir immer mehr Arbeit ab, ich verbrachte ganze Wintermonate auf Mallorca zum Wintertraining (im Winter 2003/2004 brachte ich es auf 4 Monate) und tobte mich in den Sommermonaten in Deutschland aus. Von Midlife-Crisis keine Spur. Eine Reihe von RTF-Touren in verschiedenen Bundesländern mitgefahren, meist 80-150 km-Strecken, auf denen ich den meisten davonfahren konnte. Radmarathons waren nicht mein Ding. Bin schon seit langer Zeit eine Nachteule und morgens um 6 Uhr am Start stehen - das habe ich mir nie angetan. Kam in einigen Jahren auf 20.000 Radkilometer und hatte nie einen üblen Sturz. Ich mag Menschen, fühle mich dennoch als Einzelgänger. Vereinsleben sagt mir nicht zu. Ich kann auch Alleintouren sehr genießen.
Nach dem Kauf des Cannondale-Rads folgten gleich mehrere weitere Rennräder. Aluräder, Carbonräder - ich hatte meinen Sport gefunden und konnte mir viel leisten. Zu jedem Rad das farblich passende Outfit - nun ja, heute schmunzele ich drüber. Obwohl Zigtausende in den Radsport flossen - ich denke, es war die beste Investition meines Lebens. Diesen Sommer nur noch Touren über 100 km gefahren, 27er bis 29er - Schnitt. Ich fühle mich rundum fit, kein Hausarzt, keine Medikamente. Und was ich wirklich angenehm finde: es ist viel mehr Dankbarkeit dafür, fit und gesund zu sein, als Stolz über irgendwelche guten Leistungen. Eine innere Dankbarkeit zu empfinden ist etwas sehr Wertvolles, das dem eigenen Leben wahren Inhalt geben kann. Dankbarkeit dafür, dass es mich gibt, dass ich jedem Tag die Chance geben kann, der schönste meines Lebens zu werden.