Nachdem ich kürzlich mit meiner neu gebauten Zentrierlehre festgestellt habe, dass mein Hinterrad einige Millimeter außermittig ist, was sind denn die Auswirkungen beim Fahren?
Wenn nur eins der Räder nicht in der Mitte steht, bzw. Rahmen oder Gabel nicht, bekommst Du ja nur einen Parallelversatz und damit ein mehrspuriges Fahrzeug. Das wird beim Fahren nicht auffallen und hat eher theoretische Bedeutung, auch bei mehreren Zentimetern Versatz noch (hatte ich alles schon). Wenn es wirklich sehr schlimm ist, bekommt der Fahrer höchstens den Eindruck, immer irgendwie schief auf dem Rad zu sitzen.
Ich hatte so einen Fehler mal bei einem Auto, wo das beim Fahren wirklich deutlich spürbar war: Auto fährt geradeaus, aber Fahrer schaut dabei irgendwie nicht geradeaus und fühlt sich, als sei der Sitz schief eingebaut. Beim Vermessen kam dann eine deutliche Vierspurigkeit als Folge einer etwas schlampigen Unfallreparatur ans Licht, aber fahren konnte man auch damit normal.
Schwieriger wäre ein Winkelversatz, also Vorder- und Hinterrad stehen zueinander schräg, wenn man sie von vorn oder hinten anpeilt. Dann will das Rad ständig eine Kurve fahren und der Fahrer lenkt unmerklich gegen, was er meistens irgendwann an der Vorbaustellung sieht, oder an einseitigen Verspannungen bemerkt. Dabei wird man auch insgesamt etwas langsamer, weil ein Teil der Energie für die Verformung der
Reifen aufgewendet werden muss. Aber auch dabei gilt: Es muss schon schlimm sein, bevor man es bemerkt.
Beim Vermessen meiner eigenen oder gerade unmontiert bei mir rumstehenden fremden Rahmen hatte ich im Lauf der Jahre nur zwei in den Fingern, die wirklich in jeder Hinsicht "gerade" waren, beide aus echter Serienproduktion und preislich eher am unteren Ende. Allerdings habe ich bei weitem auch nicht alle vermessen, die mal bei mir zu Gast waren.
Die häufigsten Fehler dabei sind, in dieser Reihenfolge:
- Steuer - und Sitzrohr nicht parallel
- Hinterbau rechts und links unterschiedlich lang
- Hinterbau zu Sitzrohr und/oder Gabel schief
- Tretlager schief zur Fahrtrichtung und/oder schief zum Sitzrohr
Dabei war ich auch immer wieder erstaunt, wie groß die Fehler bei ehemals richtig teuren, extravaganten Einzelstücken sein können, und wie wenig man davon beim Fahren wirklich merkt.
Für mich selbst habe ich dann entschieden, dass Winkel- und Mittenfehler am Tretlager weniger schlimm sind, als nicht in der Spur laufende und/oder nicht fluchtende Räder:
Das eine kompensiert der Fahrer unbemerkt in drei großen Gelenken plus Hüftstellung auf jeder Seite, hat bei einigen Klassikern sowieso mittenversetzte Kurbeln und kann im schlimmsten Fall auch noch mit der Fußstellung auf dem Pedal nachhelfen; das andere ist leider fest im fertigen Rahmen eingebaut und lässt sich auch nicht so einfach richten.
Natürlich versucht man auch beim Rahmenbau im "Ghetto-Style", möglichst beides zu vermeiden und geht sowieso immer erstmal vom Tretlager aus, aber ich finde es irgendwie auch sehr sympathisch, wenn anschließend beide Räder sauber zwischen den "Richtschienen" landen und mag mir ohne Rahmenlehre lieber keine größeren Fehler im Hinterbau einhandeln, weil man die anschließend nicht so einfach "wegbiegen" kann. Das muss aber jeder selbst entscheiden und daran seine Vorgehensweise orientieren, und es klappt wohl auch bei größter Vorsicht und mit einer professionellen Rahmenlehre nur selten auf Anhieb. Sieht man ja an den Messergebnissen.
Wärmeverzug im Hinterbau ist beim Einlöten der Stege immer ein Thema, der Hinterbau wird dabei grundsätzlich schmaler. Mögliche Abhilfe: Tretlagersteg einlöten, bevor die Kettenstreben auf den Außenseiten ans Gehäuse gelötet werden, oder breitere "Dummy-Achse" beim Einlöten der Stege einsetzen, oder Streben anschließend auf den Außenseiten auch nochmal heiß machen. Beim Schweißen stelle ich mir das erst so richtig übel vor, da ist die Planung der richtigen Reihenfolge unbezahlbar.