Ich bin selbst noch Anfänger genug, um knappe Überholvorgänge, so gefährlich und unangenehm sie für mich mitunter auch sind, erst mal nicht allzu persönlich zu nehmen. Denn, wie Radlfix schon richtig bemerkte:
Ist ja nicht so das wir nicht auch Autofahrer sind .
Denn, um mal die umgekehrte Perspektive einzunehmen: Ich ertappe mich, ehrlich gesagt, als Autofahrer vor allem erst seit meinem RR-Einstieg im letzten Jahr so richtig dabei, mich Radfahrern jedweder Couleur, und besonders Rennradlern, ganz bewusst seeehr viel vorsichtiger, zurückhaltender und umsichtiger zu nähern, als dies davor der Fall gewesen sein mag.
Erst seit ich in meiner Freizeit auch selbst mit dem Rad auf den Landstraßen umhergurke, sei es nun mit dem Crosstrekker oder mehr noch mit dem Renner, achte ich am Steuer meines Autos darauf, Radfahrer möglichst grundsätzlich auf der Gegenfahrspur zu überholen; - so wie ich das früher ganz gewiss weniger bei zu überholenden Radfahrern, als vielmehr eher bei zu überholenden Traktoren gemacht habe, wo es ja ohnehin keine "Alternative" zur freien Gegenfahrbahn und zum ausreichendem Seitenabstand gibt.
Obwohl ich mich, wie wahrscheinlich die meisten, schon immer und seit jeher für einen äußerst defensiven, geduldigen, gewissenhaften, rundum vorbildlichen und rücksichtsvollen Autofahrer gehalten habe, hat mich hier der "Rollen- und Perspektivenwechsel" für de Problematik nochmal neu und auf besondere Weise sensibilisiert.
Ich kann bei aller prinzipiell guten Absicht in meinen 20 Autojahren, denen erst ein halbes Jahr RR-Erfahrung gegenübersteht, eben wirklich nicht ausschließen, dass auch ich selbst mit dem Auto bis zum letzten Jahr hier und da im Sommer auf der Landstraße bei Gegenverkehr Radfahrer durch die eine oder andere Überholaktion in Bedrängnis gebracht habe. Ich kann aber mit Bestimmtheit sagen, dass dies, falls vorgekommen, ohne jede böse Absicht und ohne die geringste "Genervtheit" meinerseits geschehen wäre. Auch kann ich mich an keine entsprechende mißbilligende Reaktion seitens der Überholten erinnern, aber muss schon zugeben, dass ich mir andererseits durchaus nie darüber Gedanken gemacht hätte, was das für einen Radfahrer für ein Gefühl ist, wenn's nur "gerade so" mit dem Abstand reicht.
(Jetzt weiß ich es natürlich.
)
Selbst wenn im Fall der Fälle zur "Feindberührung" noch einiges fehlt: es genügt ja schon der Windsog des Überholers als reale Gefahr.
Nur macht sich der geneigte Autofahrer (wie ich in meiner Vor-Fahrrad-Zeit) im allgemeinen bestimmt wenig Gedanken darüber, welchse Luftsäule er vor sich her schiebt und welche Wirbel er hinter der Karosse herzieht.
Situationen, in denen ich aggressive Absicht hätte unterstellen müssen, habe ich bislang zum Glück noch nicht erleben müssen. Es ist wie so oft im Leben: Gefahr geht mit viel größerer Wahrscheinlichkeit von traumverlorener Gedankenlosigkeit als von tatsächlicher Aggressivität aus. Und wenn man so im Auto bei angenehmen 90 - 100 km/h im unteren Drehzahlbereich auf einer sonnenbeschienenen Landstraße sanft federnd dahinrollt, genüßlich der Musik aus dem Soundsystem lauscht, den eigenen Motor kaum hört und gar nicht das Gefühl hat, zu rasen, und es taucht ein Rennrad vorn in Sichtweite auf, dann liegt dem nicht selbst rennradelnden PKW-Lenker der nichtverbalisierte typische Gedanke näher: "Hoffentlich muss ich wegen diesem Möchtegern-Sportler nicht unnötig abbremsen, ich rolle doch gerade so schön und harmonisch." als der typische Gedanke des selbst rennradelnden Autofahrers "Dem versüße ich jetzt seine Trainigsrunde und zeige mal, dass ich weiß, wie man sich auf dem Rennrad einen Überholvorgang wünscht."
Gerade heute hat mich auf meiner Hausrunde ein verdunkelter Mercedes-Viano unter deutlicher Überschreitung der 70km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung unnötigerweise so knapp überholt, dass ich über die Begrenzungslinie hinweg auf den Gitterpflasterstreifen neben der Fahrbahn gesaugt wurde und froh sein konnte, nicht in den Chauseegraben gestürzt zu sein. In meiner trudeligen Verlegenheit, wußte ich mir nicht anders zu helfen, als den "Daumen nach unten" zu zeigen. Ich hoffe, er hat's wenigstens im Rückspiegel gesehen. Umgekehrt zeigte ich (von diesem Schrecken und der Idee inspiriert) heute auch schon mal besonders rücksichtsvollen Autofahrern "Daumen hoch" und artikulierte lautlos, aber zum "von den Lippen Lesen" das schöne Wort "Danke!"
- Aber vermutlich sind wir auf dem Fahrrad nur den wenigsten einen Blick in den Rückspiegel wert...