Das klingt plausibel – und wäre ja auch nicht verwunderlich: einerseits werden die ja auch in diesen Maßen bestellt worden sein, anderseits war man sicher darauf erpicht, neue Märkte zu erschließen. Vielleicht mussten die Achsen auch zu irgendendwelchen Teilen passen, die vorhanden waren/in der DDR produziert wurden (Flügelmuttern?) ...
Campagnolo und
Shimano haben ja auch für den französischen Markt produziert und dafür auch die dort üblichen Standards für z. B. Tretlager und Steuersätze verwendet.
Der Wechsel auf das "üblichere" Maß – mir kommt vor, als hätte die französische Radindustrie das eh schon so Mitte der 1980er begonnen, ich vermute auch hier die Export-Orientierung ... und bei den Naben fiel ja 1989 auch schön langsam die Besonderheit "für den DDR-Markt produziert" weg ... (Renak gab es ja glaube ich ab ca. '90 gar nicht mehr, oder ?) ...
Generell - darauf hat mich mal ein alter DDR-Fahrradmechaniker (Besitzer eines Fahrradladens in Berlin-Friedrichshagen) hingewiesen - strebte die DDR ja auf allen Gebieten nach Rationalisierung und dem jeweiligen "technisch-wissenschaftlichen Höchststand", der (jedenfalls prinzipiell) die Anwendung der aktuellen Normen verlangte, sowohl bei den Gewindestandards, als auch bei den Bezeichnungen (daher wurde z. B. bei Fahrzeugen nicht ein "Gesamtgewicht", sondern eine "Gesamtmasse" angegeben - definitiv korrekt, aber anderswo nicht üblich ...).
In Bezug auf den "Normenbereich Zweirad" (... diesen Begriff habe ich mir jetzt ausgedacht, aber er entspricht durchaus der "Denklogik" der DDR ...
) hieß das, dass nach dem DDR-Standardisierungssystem TGL metrische Maße und Gewinde zu bevorzugen waren, jedenfalls so weit wie möglich - daher z. B. die vom "Weststandard" abweichenden Steuersatzmaße und Gewinde.
In vielen Bereichen - z. B. bei Laufrädern/
Reifen - konnten die etablierten Standards aber nicht sinnvoll ersetzt werden, aus verschiedenen Gründen (z. B. erwünschte Weiternutzung alter Fahrzeuge aus volkswirtschaftlichen Gründen; Abstimmungsprobleme innerhalb des RGW; Angleichung an internationale Standards, um Exporte zu ermöglichen etc.), daher blieb es letztlich auch in der DDR bei den Normen und Standards bei einem Mischsystem.
Zu den Maillard-Vollachsen möchte ich noch die Beobachtung beisteuern, dass zumindest die dünneren Hinterrad-Vollachsen durchaus zum Brechen neigen, selbst bei "normal" belasteten Alltagsfahrrädern, was einen Grund für den Übergang zum stärkeren Achsquerschnitt dargestellt haben könnte. Jedenfalls findet man an älteren Maillard-/Normandy-/Atom-Naben immer den dünneren Achsquerschnitt (bis in die frühen 1980er Jahre hinein), während m. E. in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eher die dickeren Vollachsen verbaut wurden.
Die (ebenfalls älteren) 8 mm-Vorderachsen neigen kaum zum Brechen, sind aber häufig verbogen, also tendenziell wohl auch eher unterdimensionert.
Die Themen "Verbraucherschutz" und "Produkthaftung" bekamen ja in jener Zeit auch eine größere Bedeutung, und Fahrradteile wurden erstmals nach (allerdings noch eher wenig praxisorientierten) Industriestandards getestet - vielleicht hängt es damit zusammen ...
Und generell durchlief die französische Fahrradindustrie in der ersten Hälfte der 1980er Jahre eine Umbruchphase, die zur Schließung auch großer traditioneller Hersteller führte. Meinem Eindruck nach hat Peugeot tatsächlich so lange wie möglich Komponenten französischer Hersteller verbaut, aber 1984 war bei den Alltagsrädern Schluß mit Simplex, und es wurde von da an
Shimano verbaut.
Auch bei den Gewindenormen für Steuersatz und Tretlager findet m. E. der Übergang von französischen auf BSC-Gewinde 1984/85 statt (wobei es da zeitliche Unterschiede zwischen den Alltagsrädern und den höherwertigen Rennrädern gegeben haben kann).