Ich glaub, ...
...ein Zeitfahren, und gibt wohl keinen ehrlicheren Vergleich im Radsport. ...
... Und eigentlich will man „sowas“ auch gar nicht erreichen, es ist nur ein Nebeneffekt.
Jein. Es gibt haufenweise Leute, die genau das anstreben. Natürlich haben die von Radrennen nichts verstanden, aber sie meinen von der Tendenz schon, daß das zutrifft, was du schreibst:
Denn ein Radrennen gewinnt man kaum, indem man einfach 100 km vorn im Wind fährt.
Damit jetzt kein Mißverständnis entsteht: Leute, die wirklich genau das glauben, gibt es selten - aber wie gesagt: Es gibt die Tendenz. Abgesehen davon, daß es Leute gab und gibt, die sowas schaffen. Ich erinnere mich noch sehr genau an Dietrich Thurau, wie er ca. 1980 beim Union-Preis in Dortmund aus der Strobelallee (Start- und Zielgerade) rechts abbog, vorher hatte er kurz angetreten, und dann einfach weiterfuhr, 160 km und "ward nie mehr geseh'n". Ein paar Jahre vorher war er beim Sichtungsrennen für A-Jugend in Lütgendortmund (Ritter-Preis) in der 1. Runde weggefahren, wurde vom Polizeikrad falsch geleitet, landete hinterm Hauptfeld, fuhr da hindurch und vorne wieder raus und - "ward nie mehr geseh'n".
Keiner, der sich im Kontinuum zwischen Hobby-Lusche über die Zwischenweltler bis zu guten Amateur befindet und noch bei Trost ist, hält sich für einen solchen "Überflieger". Aber zwei Tendenzen sind unverkennbar:
- Ausgehend davon, daß es "keinen ehrlicheren Vergleich im Radsport" gibt - was ich bestreite (!) - ist für "diese" Leute ein "von vorne" herausgefahrener Sieg mehr wert, als z.B. ein Sprintsieg aus einer Spitzengruppe oder dem "dezimierten Hauptfeld" oder eine gute Platzierung, nachdem man sich "gut versteckt" hat usw.
- Sie streben gute Leistungen "von vorne gefahren" an, ja, das tun sie. Nicht wie Didi Thurau, nicht wie Tony Martin, aber unbedingt "unvernünftig" gefahren. Sie wollen geradezu nicht, daß ihnen andere, z.B. Weggefährten aus einer Fluchtgruppe insofern "geholfen" haben, als sie zur Führungsarbeit beigetragen haben, zumindest soll in dem Fall der eigene Anteil deutlich über dem der anderen gelegen haben.
Unvernunft und mangelnde "Koalitionsfähigkeit" wird zur Tugend dessen, der auf "ehrliche Art" seine Erfolge erzielt (da verwundert es fast, daß noch keiner auf die Idee gekommen ist, die Nutzung des Windschattens als "Doping" zu brandmarken...), Hinterradfahren wird pauschal zum "Schmarotzertum" herabgewürdigt.
Wenn zu dieser "Philosophie" dann noch eine eklatante Unkenntnis von Trainingsprinzipien hinzukommt, ist die "Krankheit" im Übergang vom gefährlichen akuten zum chronischen Stadium. Dabei muß es gar nicht so sein, daß jemand überhaupt nicht mitbekommt, daß eine 2 oder mehr-stündige Fahrt bei 35+ nichts bringt. Allein die - auch wieder auf Mißverständnissen beruhende - "moderne" Ablehnung der Dauermethode sorgt dafür, das sowas nicht allzu oft passiert, nein, Wahrheit ist ungleich "grausamer": Du schreibst oben
Wenn man harte Intervalle macht und dann locker ausfährt, kann ein 27er Schnitt aber natürlich härter gewesen sein als wenn man einfach mal konstant ne Stunde 35 fährt.
Aber wer fährt den wirklich so, daß beim Intervalltraining ein 27er Schnitt rauskommt? Statt in den Pausen und beim Ein- und Ausfahren im KB zu fahren, wird, kaum daß sich die Atmung nur ein wenig beruhigt hat, im GA-Tempo - und das heißt für solche Leute 30+ - weitergetreten. Ein- und Ausfahren? Zeitverschwendung.
Und ständig ist da der "Strava-Druck".
Ich brauche das gar nicht weiter ausführen: Die Kette ist "Ich kann nicht hinterradfahren - außerdem ist alleine von vorne sowieso "ehrlicher" - ich trainiere modern, d.h. Intervalle im Zeitfahrstil - ich bin time-crunched und außerdem muß ich noch unbedingt diese Zwei Strava-Segment besser werden, also was sollen die KB-Anteile, ausruhen kann ich mich auch im Büro.
Ich bestreite außerdem, daß eine Alleinfahrt, vor allem als Zeitfahren, eine "ehrlichere" Leistung ist. Sie kommt dadurch zustande, daß dieser Mensch eine gleichmäßige Leistung bevorzugt. Radrennen, richtiges Radrennen erfordert aber hohe Spitzen und gute Erholungsfähigkeit. Wenn jemand wie Tony Martin 4 mal Zeitfahr-WM wird und im Gegensatz zu einem Cancellara bei Rundfahrten und Klassikern nichts, aber auch gar nichts vorzuweisen hat, dann sage ich mal: Der ist WM im "gleichmäßig schnell fahren" geworden - mit Radrennen hat das nichts zu tun.
Am Ende sind wir
@Teutone, wieder bei unserem alten Thema "Richtig Radfahren lernen"...