Jetzt habe ich das Thema mal wirklich ernst genommen:
- Es muß sich natürlich um eine sinnvolle Trainingsfahrt handeln. Nicht irgendein Leistungstest FTP, FTP55 oder 119,7 oder was auch immer.
- Es muß natürlich alles enthalten sein, was zu einer normalen Trainingsfahrt gehört, das wichtigste Prinzip ist Start: Haustür, Ziel: Haustür, kurz: Haustür-Haustür.
- Es wird jeder gefahrene Meter mitgezählt, der Tacho oder das Spielzeug wird nicht so eingestellt, daß es unterhalb von 5, 10 oder 15 km/h abschaltet.
- Möglicherweise gibt es noch andere Tricks, die ich gar nicht kenne. Das alles unterbleibt.
- Außerdem gelten die üblichen Voraussetzungen: Start und Ziel sind identisch, vgl. 2 und alles, was es sonst noch gibt.
Unter diesen Voraussetzungen fährt man auf einer normalen, tellerflachen Strecke normalerweise als gute Amateur (früher A/B) zwischen 29 und 30 km/h, als 66jähriger Rentner zwischen 27 und 29.
Im Normalfall zwar keine Selbsttäuschung aber ein i.d.R. unsinniges Unterfangen.
Also habe ich mal im reichhaltigen Gedächtnis eines "ein-halbes-Jahrhundert-Radrenners" nachgeblättert und bin tatsächlich auf zwei Perioden gestoßen, wo ich es trotzdem für sinnvoll erachtet habe, bei einer solchen Trainingsfahrt 30 km als Schnitt zu erzielen, und zwar unter allen Bedingungen von oben, 1. bis 5.:
- In den Wintern* 1972/73 und 1973/74 bin ich solche Haustür-Haustür-Einheiten mit gleichbleibend 30km/h und dem Ziel, die tatsächlich über 1 bis 2h zu halten, mit dem starren Gang 42/16 gefahren. Natürlich ab und an auch mal mehr, z.B. 30 km/h in 50 min (dann kam die Bahnschranke). Gemessen wurden die Strecken anhand der km-Steine oder im großen Diercke-Weltatlas, zur Not einfach die Kurbelumdrehungen zählen und Strecke ausrechnen, Zeit nach Sek.-Zeiger der Armbanduhr.
- In der Vorbereitung der Saison 1998 habe ich das dann wieder aufgegriffen und bin auch hügelige Strecken nach dem Muster gefahren, wieder 42/16, aber kein starrer Gang. Schalten verboten. Es ist mir glaube ich nur einmal gelungen, wobei die Strecke allerdings über ca. 2,5 Std. ging.
Die erste Sache würde ich unter den selbst Voraussetzungen und gleichen Anforderungen heute evtl. wiederholen, die zweite nicht.
Also: Findet man eine Trainingsform, die unter den gegebenen Voraussetzungen Sinn macht, kann es jederzeit vorkommen, daß man einen Schnitt von 30 oder mehr fährt.
Z.B.: Eine Tempofahrt nach dem Motto "Raus aus der Haustür/Hoftor und auf die Plätze fertig los".
Die war heute als Abschluß einer Serie von kürzeren, schnelleren Trainingsfahrten in den letzten 10 Tagen sinnvoll.
Also habe ich das mal angetestet, mit dem einen Unterschied, daß die Übersetzung frei wählbar ging. Tatsächlich fuhr ich die ersten ca. 15 km mit TF von 90+ eher TF-orientiert, auch die weiteren ca. 11 km bis zum Wendepunkt mit der Trainings-Standard-Übersetzung von 53/17 und den Rest mit überwiegend 53/16 ebenfalls flüssig.
Trotzdem eine Erleichterung. Jeder weiß, wovon ich rede, der jemals im Winter mit dem starren Gang regelmäßig 2 - 3 Std. "flach" (d.h. da geht es mit Rückenwind und "bergab" auch schonmal auf 45+) gefahren ist.
Ergebnis: 45,16 km, 1:29:30
M.a.W.: Ein 30er Schnitt ist auf keinen Fall Selbsttäuschung aber auch nicht notwendigerweise eine bedauernswerte, auf "Trainingsweltmeistertum" oder "Strava/Forums/...-Poserei" zurückzuführende Realität. Sie kann auch das entscheidende Kriterium "sinnvolle Trainingseinheit" erfüllen, wenn das gewählt Trainingsmittel diese Voraussetzung erfüllt. Hier ging es um eine anspruchsvolle Tempo-Einheit, die zwar deutlich, aber nicht um Welten über der Intensität einer GA-Einheit liegen sollte, aber noch sehr weit von "Sweet-Spot" entfernt ist und die gleichmäßig und ohne "Mini-Pausen" wie Ampelstopps und "mal kurz ein Stück rollenlassen" beinhalteten sollte, der Druck sollte keine 5 sek. nachlassen.
Die berechnete Leistung lag bei 180 W, da muß man aber verglichen mit PM-Messungen zwischen 7 und 15% draufschlagen. Bei einer geschätzten FTP von 215 bis 220 W also 92% der FTP. Kommt mir ehrlich gesagt komisch vor. Ich denke, es gibt zwei Fehlerquellen: a. die Leistung lag doch eher Richtung 180 W, sagen wir 185 W, dann wären es aber immer noch 84% der höchsten geschätzten FTP b. die FTP ist falsch geschätzt und liegt eher bei 220 - 225 W.
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* Eigentlich die ges. Renerations- und Vorbereitungsperiode inkl. Bahnspezifischem Straßentraining vom letzten Rennen abgelaufenen Saison bis 2 Wochen vor dem ersten Rennen der nächsten Saison, also ca. Ende Februar