da schmeiss ich meine Geschichte doch auch in die Runde...
und ich schließe mich gern an. - Habe mich vorhin im Vorstell-Thread schon kurz präsentiert, erzähle aber an dieser Stelle auch gern noch etwas mehr von mir. Also, das war so: Noch im Kindergartenalter bekam Klein-Hessenradler (so vier- bis fünfjährig) von seinem Großvater ein Kinderfahrrad vom Sperrmüll in liebevoller Handarbeit hergerichtet: es war gelb, im Originallack noch gut, aber ansonsten ziemlich runtergerockt: Laufräder, Stempelbremse, Lenkergriffe, diverse Reflektoren und Rücktrittbelag spendierte der Opa netterweise neu, und dann gings los; anfangs mit Stützrädern, kurz danach ohne. Ich kann mich noch gut an die Stützräder-Demontage erinnern. Viel besser war aber, dass mein jüngster Onkel, der damals im jugendlichen Erst-Mofa-Alter war, mir daraufhin eines seiner alten Mofakennzeichen an das nunmehr stützradlose Fahrrad motiert hat, was für mich eine Art Ritterschlag war.
Später war das Fahrrad mein wichtigstes Verkehrsmittel für den Schulweg, die meiste Zeit täglich etwa 2 x 10 km. Vom ersten selbstverdienten Geld kaufte ich 1990 ein Trekkingrad aus CroMo-Stahl zum von vielen damals für unerhört erachteten Preis von 1300 Deutschen Mark. Und dann kann ich mit den Worten eines meiner Vorposter weiterberichten:
(...) Damit wurde eifrig gefahren bis ich 18 war.
Mit Führerschein und Auto hab ich mein Fahrrad sozusagen vergessen.
Also ich 30ig wurde war ich stark übergewichtig und einfach nur bequem.
Ein paar Berufseinsatz- und Wohnortwechsel später, schon jenseits der 30, hat mir dann aber ein Chefarzt mal vor drei Jahren ziemlich die Leviten gelesen. Einer dieser spindeldürren Internisten, die selbst Marathon laufen. War mir erst mal nicht sehr sympathisch. Die Angelegenheit, derentwegen er mich behandelte, war überhaupt nicht auf Bewegungsmangel oder Übergewicht zurückzuführen. Weder hatte ich "Herz-Kreislauf", noch "Magen" oder ähnliches. "Etwas Blutdruck" vielleicht, allenfalls
. Aber deswegen war ich nicht auf seiner Station. Trotzdem sagte der Doc anmaßender Weise:
"Lieber Herr Hessenradler, die Geschichte, mit der Sie hierher gekommen sind, das ist bald vorbei. Aber wenn Sie mit allem anderen so weitermachen, dann bekommen Sie in 10, 15, 20 Jahren noch ganz andere Probleme. Das wird Ihnen ja nicht neu sein. Haben Sie mal in Ihre Blutdruckwerte geschaut, du liebe Zeit, dabei ist das Herz in Ordnung, sieht sogar ganz gut aus auf den Bildern, die wir gemacht haben. EKG und so, kann man NOCH nicht meckern. Könnte fast sein, Sie haben früher mal Sport gemacht? - Jaja, nur wenn man Sie heute so von außen anguckt, dann ist das wohl auch schon wieder eine ganze Weile her. Also, mit irgendwas sollten Sie schleunigst wieder anfangen. - Nein, das ist jetzt erst mal vollkommen egal; ja, wenn Sie früher Orientierungslauf gemacht haben, gehen Sie halt wieder laufen, aber passen Sie dann mit DEM Gewicht auf die Gelenke auf. Müssten Sie halt ausprobieren. Oder gehn Sie von mir aus schwimmen, das ist im Zweifelsfall besser für die Knochen, bloß BEWEGEN Sie Sich paarmal die Woche, aber wirklich. Man kann da auch vieles im Alltag einbauen. Jaja. Nein, ach, ich schaff das doch auch, soviel mehr an Stunden werden Sie jetzt auch nicht arbeiten müssen. (...usw. usf. ...)"
Erst habe ich mich über solche (das momentane Problem deutlich überschreitende) Ratschläge etwas geärgert. Aber dass er nicht ganz Unrecht hatte, war mir auch klar. Beim Stichwort "Bewegung im Alltag" kam mir das gute alte Fahrrad wieder in den Sinn. Ich ließ mir kurz nach der beschriebenen Chefarztbehandlung in einem ordentlichen Radgeschäft einen neuen Crosstrekker verpassen, fuhr schon bald in der Stadt viele Wege mit dem Rad, und fand sogar Spaß daran, in der Freizeit Wald, Feld und Flur damit zu durchstreifen. Schon beim Kauf meines Crosstrekkers waren mir im Laden die Rennräder aufgefallen, bei meinen ersten 18km/h-Touren fielen Sie mir auf der Straße auf, und bei jedem weiteren Besuch im Radgeschäft wurden die Kreise, die ich um die Rennräder zog, wenn ich mal zum Zubehör- oder Klamottenkauf da drin war, kleiner.
Als ich den Crosstrekker 2011 von seiner ersten Jahresinspektion abholte, konnte ich rückblickend bezüglich der Vormonate zu einer ähnlichen Schlußfolgerung gelangen wie mein Vorschreiber "Basti" für sich:
Damit war die Motivation geboren. Ich fuhr jeden Tag.
Schnell wurden 25kg abgenommen.
Als mir klar war, dass zu diesem Zeitpunkt (ein gutes Jahr nach dem Chefarzt, ein knappes Jahr seit dem Crossbike, 25 Kilo weniger am Leib und vier Konfektionsnummern und mit um fünf Zentimeter geringerem Halsumfang) doch im Prinzip die Möglichkeit bestünde, eventuell dem Rennradgedanken nun auch in Wirklichkeit näherzutreten, passierte es: Ich ließ mir noch an Ort und Stelle im Geschäft manches zu den vorfindlichen Rennrädern erklären, ließ mich vermessen und fing am selben Abend an, hier mitzulesen.
Darum an dieser Stelle: Dank allen "Kaufberatungs-Autoren" der letzten Jahre...
2012 kaufte ich dann im Herbsturlaub mein erstes Rennrad und fuhr ab Oktober erste Runden zum gewöhnen und ausprobieren. Den Wintereinbruch nahm ich zwar gefasst auf, bedauerte aber schon, nicht früher, bevor ich so aus der Form geraten war, auf die Idee mit dem Rennrad gekommen zu sein. Da muss man erst 38 werden, das ist doch nicht zu fassen. Mein Radhändler hat mich getröstet und erklärt: "Komm, Hessenradler, mach dir nix draus. So Fahrräder kaufen die Kunden bei mir normalerweise alle eher mit 40 als mit 14."
In dieser meiner ersten richtigen Saison habe ich seit dem Frostende im Februar insgesamt präzise 491 km allein auf dem Renner hinter mir. Ich bin, seit ich selbst fahre, immer noch erstaunt, wie viele Rennradler hier (bei schönem Wetter) unterwegs sind. Wenngleich mich die meisten davon, manche auch deutlich älter, mit Leichtigkeit auf der Landtraße versägen, erst recht im hügligen Umland, dann nehme ich das gelassen und mit Stolz hin. Nicht viele von denen, die an mir vorbeiziehen, werden schließlich 2010 noch 132kg gewogen haben.
Der Pfingstsamstag brachte bei günstiger Witterung am Nachmittag meine erste "größere Tour" (> 50km) mit sich. Nachdem ich mich einmal in einem mir bis dahin unbekannten Kaff etwas verfahren hatte und ich mir nicht die Blöße geben wollte, vor Publikum oder auf offener Landstraße zu wenden und in die Richtung davonzufahren, aus der ich gekommen war, hatte ich am Schluss 79,7km auf dem Tageszähler, Durchschnittsgeschwindigkeit 26,5 km/h. Und: Ich bin ohne Absteigen und Pause ganze 3 Stunden und 2 Minuten (!) in einem Stück (!!) in Bewegung (!!!) gewesen. (So etwas gehört noch nicht lange in den Bereich des mir Möglichen. Den Internisten würde es gewiss gefreut haben.) Und am nächsten Tag: keine Schmerzen, kein Muskelkater, nix.
Mit einem Wort: es ist gut, hier zu sein...